Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialkasse. Gerüst

 

Leitsatz (amtlich)

„Rückwirkende Heranziehung” i. S. des § 9 Abs. 6, S. 2 VTV-Gerüst – Tarifauslegung

 

Verfahrensgang

ArbG Wiesbaden (Urteil vom 19.01.2000; Aktenzeichen 3 Ca 1397/99)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 05.11.2002; Aktenzeichen 9 AZR 373/01)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 19.01.2000 – 3 Ca 1397/99 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um tarifvertragliche Ansprüche auf Erstattung von Urlaubsgeld und Lohnausgleich.

Der Kläger unterhält einen Gerüstbaubetrieb. Er gehört keinem Arbeitgeberverband an. Der Beklagte ist als Einrichtung der Tarifvertragsparteien auf Grund für allgemeinverbindlich erklärter tarifvertraglicher Regelung für das Gerüstbaugewerbe in der Bundesrepublik Deutschland einerseits zum Einzug der Beiträge zu den Sozialkassen dieses Gewerbes berechtigt und verpflichtet, andererseits erstattet er den tarifunterworfenen Arbeitgebern nach näherer tarifvertraglicher Maßgabe deren Aufwendungen für Urlaubsgeld- und Lohnausgleichszahlungen an ihre Arbeitnehmer.

Der Kläger hat zunächst seit Januar 1982 am Sozialkassenverfahren teilgenommen. Später hat er die Zahlungen einseitig eingestellt. Die Parteien haben bereits in einer Reihe früherer arbeitsrechtlicher Rechtsstreite um die Verpflichtung des Klägers zur Beitragszahlung und insbesondere um die Frage der Rechtsgültigkeit der Allgemeinverbindlichkeitserklärung (AVE) des Tarifvertrages über das Sozialkassenverfahren im Gerüstbaugewerbe (VTV) gestritten. Im Berufungsrechtsstreit 10 Sa 1481/95 (Hess. LAG) ist der Kläger mit Urteil vom 08.12.1997 zur Beitragszahlung für diverse Einzelzeiträume zwischen April 1990 und September 1992 und im weiteren Berufungsrechtsstreit 10 Sa 2151/99 mit Urteil vom 12.02.2001 zur Beitragszahlung für Zeiträume zwischen Juli 1996 und März 1997 verurteilt worden.

Anlässlich einer Betriebsprüfung beim Kläger durch den Beklagten im Mai 1996 wurde für die Kalenderjahre 1990 bis 1992 ausgezahltes Urlaubsgeld in Höhe von insgesamt DM 24.242,– festgestellt. Hierfür lagen im Zeitpunkt der Betriebsprüfung bereits Erstattungsanträge vor, wobei allerdings hinsichtlich der an die Arbeitnehmer L. und C. 1991 gezahlten Urlaubsgelder (DM 434,24 und DM 364,11) keine Auslösungsscheine aus den Sozialkassennachweisen eingereicht waren. Die Erstattungsforderung belief sich einschließlich tarifvertraglichen Ausgleichs für Sozialaufwendungen (37 %) auf DM 33.211,54.

Bereits unter dem 27.05.1992 hatte der Kläger ferner beim Beklagten Antrag auf Erstattung von Lohnausgleichsaufwendungen betreffend vier Arbeitnehmer für die Winterperiode 1991/1992 in Höhe von DM 6.636,– (einschließlich Ausgleich für Sozialaufwendungen in Höhe von 50 %) gestellt und mit einem weiteren Schreiben vom 15.10.1995 an den Beklagten deutlich gemacht, dass er Beitragsrückstände und Erstattungsforderungen gegeneinander verrechne.

Der Beklagte hat die beantragten Erstattungsleistungen verweigert und seine Weigerung im Prüfprotokoll vom 11.07.1996 zur Betriebsprüfung vom 21./22.05.1996 im Einzelnen begründet.

Im Termin am 22.09.1999, zu dem der Kläger ordnungsgemäß geladen aber nicht erschienen war, hat das Arbeitsgericht die auf Zahlung von insgesamt DM 39.847,54 Erstattungsleistungen gerichtete Klage abgewiesen. Gegen dieses Versäumnisurteil hat der Kläger form- und fristgerecht Einspruch eingelegt.

Der Kläger hat vorgetragen, entgegen der Auffassung des Beklagten scheitere sein Anspruch auf Erstattung von Urlaubsgeld nicht bereits am Ablauf der tarifvertraglichen Ausschlussfrist. Die Regelung in § 9 Abs. 6 Satz 1 VTV sei nämlich nicht anwendbar. Vielmehr sei er im Sinne des § 9 Abs. 6 Satz 2 VTV mit der Verurteilung zur Beitragszahlung ab April 1990 am 08.12.1997 rückwirkend zur Beitragszahlung herangezogen worden. Nach Schluss der mündlichen Verhandlung hat der Kläger sodann Einlösungsscheine betreffend die Arbeitnehmer L. und C. nachgereicht.

Der Kläger hat beantragt,

das Versäumnisurteil vom 22.09.1999 aufzuheben und

den Beklagten zu verurteilen, an ihn 39.847,54 DM zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt,

das Versäumnisurteil vom 22.09.1999 aufrechtzuerhalten.

Der Beklagte hat vorgetragen, Erstattungsanträge seien für sämtliche in den Jahren 1990 bis 1992 an Arbeitnehmer ausgezahlte Urlaubsgelder im tarifvertraglichen Sinne nach Ablauf des zweiten Kalenderjahres nach dem Jahr der Entstehung des Urlaubsanspruchs eingereicht worden, die Erstattungsansprüche folglich gemäß § 9 Abs. 6 Satz 1 VTV verfallen. Wegen der vom Beklagten vorgetragenen Eingangsdaten wird auf dessen Schriftsatz vom 13.09.1999 (Bl. 15 der Gerichtsakte) Bezug genommen. Der Beklagte hat gemeint, der Kläger sei auch nicht rückwirkend zur Beitragsleistung herangezogen worden, habe nach längerer Teilnahme am Verfahren die Zahlungen vielmehr einseitig eingestellt.

Darüber hinaus hat der Beklagte vorgetragen, auch ein Anspruch auf Erstattung von Aufwendun...

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