Entscheidungsstichwort (Thema)

Parallelentscheidung zu LAG Frankfurt/Main 14 Sa 1088/22 v. 17.02.2023

 

Leitsatz (amtlich)

Bei § 17 Abs. 3 S. 5 KSchG handelt es sich um eine Sollvorschrift. Das Fehlen der dort genannten Angaben in der Massenentlassungsanzeige lässt die wirksamkeit der Kündigung unberührt (Anschluss an BAG 19. Mai 2022 - 2 ARZ 467/21).

 

Normenkette

KSchG §§ 1, 17 Abs. 3; BGB § 613a; KSchG § 1 Abs. 1-2, § 17 Abs. 3 S. 5; BGB § 134; ZPO §§ 343, 563 Abs. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Frankfurt am Main (Aktenzeichen 11 Ca 4529/19)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 16. September 2020 – 11 Ca4529119 – teilweise abgeändert und das Versäumnisurteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 5. Februar 2020 auch aufrechterhalten, soweit hierdurch die gegen sie gerichtete Kündigungsschutzklage abgewiesen worden ist.

Die Kosten des Rechtsstreits – einschließlich der Kosten der Revision – hat die Klägerin zu tragen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten in der Berufungsinstanz zuletzt noch um die Wirksamkeit einer ordentlichen, aus betriebsbedingten Gründen ausgesprochenen Kündigung der ursprünglichen Beklagten zu 1) (künftig: Beklagte). Erstinstanzlich hat die Klägerin noch zwei weitere Unternehmen unter dem Gesichtspunkt des § 613a BGB verklagt und ist insoweit unterlegen.

Die zunächst gegen die ursprünglichen Beklagten zu 2) und zu 3) eingelegte Berufung hat die Klägerin zurückgenommen.

Die Klägerin war bei der Beklagten aufgrund schriftlichen mit der Rechtsvorgängerin der Beklagten geschlossenen Arbeitsvertrags (von der Klägerin nur in englischer Sprache zur Akte gereicht, Bl. 51 der Akte) seit dem 17. Oktober 1988 zuletzt als Mitarbeiterin im Processing mit einem durchschnittlichen Bruttomonatslohn von € 4.631,25 tätig.

Die Beklagte erbrachte als konzerninterne Servicegesellschaft jedenfalls bis zum 31. Dezember 2019 aufgrund bestehender Dienstleistungsverträge Dienstleistungen für die A. Diese vertreibt weltweit auf einer Vielzahl von B Neu- und Gebrauchtfahrzeuge an Angehörige des C und der D. Insoweit schloss die Beklagte am 1. Januar 2011 Dienstleistungsverträge mit der E, der in der Berufungsinstanz nicht mehr beteiligten ursprünglichen Beklagten zu 2), der F und der G ab.

Die Beklagte, eine GmbH i.L, beschäftigte regelmäßig 21 Mitarbeiter am Standort H sowie weitere Mitarbeiter an anderen Standorten sowie im Home-Office. Ein Betriebsrat besteht nicht.

Am 11. Juni 2019 beantragte die Beklagte die Eintragung der Auflösung der Gesellschaft und die Bestellung der Liquidatoren im Handelsregister (Bl. 92 d.A.). Unter dem gleichen Datum reichte sie bei der Agentur für Arbeit J persönlich eine schriftliche Massenentlassungsanzeige ein (Bl. 97 ff. der Akte), die dort am 18. Juni 2019 um 9:17 Uhr eingegangen ist. Wegen des Inhalts der Massenentlassungsanzeige wird auf Bl. 97 ff. der Akte Bezug genommen.

Die Agentur für Arbeit J bestätigte mit Schreiben vom 18. Juni 2019 (Bl. 103 d.A.), dass die Entlassungsanzeige am 18. Juni 2019 vollständig eingegangen sei und teilte mit, die gemäß § 18 Abs. 1 KSchG festzusetzende Entlassungssperre ende am 18. Juli 2019.

In der Zeit vom 18. Juni 2019 (einschließlich) bis zum 18. Juli 2019 kündigte die Beklagte insgesamt mindestens 16 Arbeitsverhältnisse, darunter das der Klägerin. Am 18. Juni 2018 fand bei der Beklagten im Betrieb inHeine Betriebsversammlung statt. Bei dieser informierte die Beklagte die Belegschaft über die beabsichtigte Stilllegung des Betriebs. Mindestens acht Kündigungen wurden im Rahmen der Betriebsversammlung gegen 14:00 Uhr an die Arbeitnehmer übergeben. Dies betraf auch die Klägerin: Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis mit ihr mit Schreiben vom 18. Juni 2019 zum 31. Januar 2020 (Bl. 4,5 d.A.).

Mit Schreiben vom 19. Juli 2019 (Bl. 205 ff. d.A.) übersendete die Beklagte der Agentur für Arbeit J die Anlage zu Feld 34 der Entlassungsanzeige, die bei dieser am 23. Juli 2019 eingegangen ist.

Die verbleibenden Arbeitsverhältnisse wurden durch die Beklagte jeweils unter Beachtung der individuell maßgeblichen Kündigungsfrist gekündigt.

Die Beklagte hat der Klägerin gegenüber am 25. September 2020 eine weitere ordentliche Kündigung zum 30. April 2021 ausgesprochen, das Verfahren betreffend die von der Klägerin hiergegen vor dem Arbeitsgericht Frankfurt erhobene Kündigungsschutzklage (11 Ca 7768/20) ist ausgesetzt.

Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, die ausgesprochene Kündigung sei unwirksam und insoweit unter anderem die Verletzung von § 1 KSchG und § 17 KSchG gerügt. Im Hinblick auf die frühere Beklagte zu 2) hat sie sich auf einen (Teil)betriebsübergang auf diese berufen, hilfsweise auf einen (Teil)betriebsübergang auf die frühere Beklagte zu 3). Abhängig von dem Ausgang der Bestandsanträge hat sie durch entsprechende Hilfsanträge Weiterbeschäftigung durch die Beklagte, die Beklagte zu 2) oder die Beklagte zu 3) gefordert. Schließlich hat sie, teilweise in Form von Hilfsanträge...

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