Entscheidungsstichwort (Thema)

Beitragspflicht von Fahrbahnmarkierungsarbeiten im Straßenbau zu den Sozialkassen im Bauwesen

 

Leitsatz (amtlich)

Zu den Straßenbauarbeiten i.S.d. § 1 Abs. 2 Abschn. V Nr. 32 VTV-Bau zählen auch solche Fahrbahnmarkierungsarbeiten, die in Industriehallen erbracht werden. Unabhängig von der Frage, ob die Markierungsarbeiten durch einen Betrieb des Maler- und Lackiererhandwerks erbracht werden, greift jedenfalls die in § 1 Abs. 2 Abschn. VII Nr. 6 VTV vorgesehene Rückausnahme für solche Betreibe, die überwiegend bauliche Leistungen der in § 1 Abs. 2 Abschn. V VTV genannten Art erbringen (Anschluss an Hess. LAG 9. März 2018 - 10 Sa 1236/17 - Juris).

 

Normenkette

SokaSiG § 7; VTV SOKA Bau § 1 Abs. 2 Abschn. V Nr. 32; VTV SOKA Bau § 1 Abs. 2 Abschn. VII Nr. 6

 

Verfahrensgang

ArbG Wiesbaden (Entscheidung vom 08.11.2018; Aktenzeichen 1 Ca 469/17)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 30.03.2022; Aktenzeichen 10 AZR 194/20)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 8. November 2018 – 1 Ca 469/17 – abgeändert.

Das Versäumnisurteil des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 29. Juni 2017 – 1 Ca 214/17 bzw. nachfolgend 1 Ca 338/17 – wird aufrechterhalten.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger weitere 45.363,00 EUR (in Worten: Fünfundvierzigtausenddreihundertdreiundsechzig und 0/100 Euro) zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über eine Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung von Beiträgen zu den Sozialkassen des Baugewerbes.

Der Kläger ist eine gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien des Baugewerbes. Nach näherer tariflicher Maßgabe ist er die für den Einzug des Beitrages zu den Sozialkassen des Baugewerbes zuständige Stelle. Auf der Grundlage des Tarifvertrags über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (VTV), der in der Vergangenheit regelmäßig für allgemeinverbindlich erklärt worden ist, nimmt er die Beklagte nach Verbindung von ursprünglich acht getrennten Verfahren zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung auf Zahlung von Beiträgen für gewerbliche Arbeitnehmer und für Angestellte für den Zeitraum Dezember 2012 bis März 2018 in Höhe von insgesamt 47.644,50 Euro in Anspruch. Der Kläger hat seine Beiträge auf der Grundlage der statistischen Durchschnittslöhne im Baugewerbe berechnet und dabei zugrunde gelegt, dass die Beklagte pro Monat einen gewerblichen Arbeitnehmer und einen Angestellten beschäftigt hat.

Die Beklagte ist ein Unternehmen, die sich auf Markierungsarbeiten in Industriehallen spezialisiert hat. Zur Ausführung kamen Bodenmarkierungen der Fuß- und Fahrwege für Personen und Transportfahrzeuge sowie Stellflächenmarkierungen für Lagerhaltung, Symbole und Warenmarkierungen zur Kennzeichnung von Gefahren im Innen- und Außenbereich. Die Markierungen wurden im Innenbereich überwiegend auf flügelgeglätteten Betonböden erbracht. Zum Einsatz kamen Acrylfarben und -lacke. In der Regel erfolgte als Untergrundvorbereitung eine Bearbeitung mittels eines Kugelstrahlers. Das Abkleben der Linien erfolgte mittels Malerkrepps. Farbe wurde mit einem maschinell unterstützen Spritzverfahren oder händisch mit Farbrolle aufgetragen.

Der Geschäftsführer der Beklagten hat im Jahr 1983 die Gesellenprüfung im Maler- und Lackiererhandwerk abgelegt (Bl. 59 der Akte). Er betrieb neben der Beklagten die Fa. A, welche am Sozialkassenverfahren der Urlaubskasse im Maler- und Lackiererhandwerk teilnimmt.

Nach einer Prüfung durch die Agentur für Arbeit B ist gemäß dem Prüfbericht vom 18. Dezember 2015 (Bl. 43 - 45 der Akte) festgestellt worden, dass die Beklagte keinen Baubetrieb unterhalten habe.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, dass die Beklagte verpflichtet sei, am Sozialkassenverfahren im Baugewerbe teilzunehmen. Er hat gemeint, dass die im Wesentlichen unstreitigen Markierungsarbeiten bezogen auf Wege- und Fahrbahnmarkierungen in Industriehallen für Fußgänger und Stapler vom betrieblichen Geltungsbereich des VTV erfasst seien. Es handele sich um Straßenbauarbeiten im Sinne von § 1 Abs. 2 Abschn. V Nr. 32 VTV, jedenfalls aber um baugewerbliche Arbeiten nach § 1 Abs. 2 Abschn. II VTV. Eine Ausnahme zugunsten von Betrieben des Maler- und Lackiererhandwerks gemäß § 1 Abs. 2 Abschn. VII Nr. 6 VTV komme nicht in Frage. Ausweislich der Feststellungen der Arbeitsverwaltung habe der Beklagte 15 Arbeitnehmer beschäftigt.

In dem ursprünglich getrennten Verfahren 1 Ca 214/17, das ab 26. Juli 2017 unter dem Aktenzeichen 1 Ca 338/17 weitergeführt worden ist, ist am 29. Juni 2017 ein der Klage zusprechendes Versäumnisurteil über 2.281,50 Euro ergangen. Nachdem dieses der Beklagten am 11. Juli 2017 zugestellt worden war, hat sie hiergegen am 18. Juli 2017 Einspruch eingelegt.

Der Kläger hat beantragt,

das Versäumnisurteil vom 29. Juni 2017 - 1 Ca 214/17 bzw. 1 Ca 338/17) - aufrecht zu erhalten und die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger weitere 45.363 Euro zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

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