Entscheidungsstichwort (Thema)

Veröffentlichung von Allgemeinverbindlicherklärungen. Rechtsstaatsprinzip

 

Leitsatz (amtlich)

Es bestehen nicht unerhebliche Bedenken, ob das Veröffentlichungsverfahren bei Allgemeinverbindlicherklärungen von Tarifverträgen – speziell in den Fällen des § 4 Absatz 2 TVG – als der verfassungsrechtlichen Nachprüfung unter dem Aspekt des Rechtsstaatsprinzips immer noch standhaltend zu erachten ist (vgl. bereits BVerfG Beschluß vom 24. Mai 1977 – 2 BvL 11/74BVerfGE 44, 322 = AP Nr. 15 zu § 5 TVG).

 

Normenkette

TVG § 4 Abs. 2, § 5 Abs. 4, 7; VTV-Bau § 1 Abs. 2 Abschn. V; VTV-Bau § 1 Abs. 2 Abschn. VII; DVO TVg § 11

 

Verfahrensgang

ArbG Wiesbaden (Urteil vom 30.11.1994; Aktenzeichen 6 Ca 1875/926 Ca 767/946 Ca 3380/936 Ca 4029/93)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 25.09.1996; Aktenzeichen 10 AZR 217/96)

 

Tenor

Die Berufungen der Beklagten gegen dieUrteile des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 30. November 1994 – 6 Ca 1875/92, 6 Ca 767/94, 6 Ca 3380/93 und 6 Ca 4029/93 – werden zurückgewiesen.

Auf die unselbständige Anschlußberufung des Klägers werden die genannten Urteile des Arbeitsgerichts Wiesbaden zu den Aktenzeichen 6 Ca 767/94, 6 Ca 3380/93 und 6 Ca 4029/93 in vollem Umfang abgeändert, und das Urteil zum Aktenzeichen 6 Ca 1875/92 wird teilweise – betreffend die gewerblichen Arbeitnehmer – abgeändert:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger

319.981,71 DM

(i.W.: Dreihundertneunzehntausendneunhunderteinundachtzig 71/1 Deutsche Mark)

zu zahlen.

Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreites zu tragen.

Die Revision gegen dieses Urteil wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten zum einen darum, ob die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger Auskünfte betreffend beschäftigte Angestellte (für den Zeitraum von Juli 1991 bis Dezember 1992 einschließlich) zu erteilen und an den Kläger für den Fall nicht fristgerechter Auskunftserteilung einen Betrag von DM 3.068,92 als Entschädigung zu zahlen. Zum anderen streiten die Parteien darum, ob die Beklagte verpflichtet ist, an den Kläger Beiträge in einer Gesamthöhe von DM 319.981,71 zu zahlen, wobei über die Höhe der Beiträge weder in der Summe noch hinsichtlich der Einzelpositionen Streit besteht: DM 12.687,40 (gewerbliche Arbeitnehmer, Zeitraum: November und Dezember 1993), DM 44.010,40 (gewerbliche Arbeitnehmer, Zeitraum: Mai bis August 1993), DM 232.611,51 (gewerbliche Arbeitnehmer, Zeitraum: Februar 1991 bis April 1993 – Aufschlüsselung in der Anlage zum Schriftsatz des Klägers vom 05. Oktober 1995 auf Blatt 198 d.A. in den Spalten 1 bis 5) und DM 30.682,40 DM (DM 2.091,60: Angestellte, betreffend Januar bis Oktober 1993; DM 28.590,80: gewerbliche Arbeitnehmer betreffend September/Oktober 1993).

Der Kläger war im streitbefangenen Zeitraum als gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien in der Rechtsform eines Versicherungsvereins auf Gegenseitigkeit nach näherer tarifvertraglicher Maßgabe die Einzugsstelle für die Beiträge der baugewerblichen Arbeitgeber im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland in den Grenzen nach dem Einigungsvertrag vom 31. August 1990 (so die neue und hier einschlägige Formulierung des § 1 Absatz 1 des Tarifvertrages über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe vom 12. November 1986 in den damals geltenden Fassungen – VTV –, in welchen er auch im streitbefangenen Zeitraum durchgehend für allgemeinverbindlich erklärt worden war) zu den Sozialkassen des Baugewerbes. Im Klagezeitraum waren alle baugewerblichen Arbeitgeber im genannten Bereich verpflichtet, dem Kläger nach einem tarifvertraglich im einzelnen näher ausgestalteten Verfahren Auskünfte über die jeweils beschäftigten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu erteilen (vgl. § 27 Absatz 1 und 4 VTV in den jeweiligen Fassungen). Außerdem waren die baugewerblichen Arbeitgeber verpflichtet, die entsprechenden Beiträge monatlich an den Kläger abzuführen. Diese Verpflichtung ergab sich aus §§ 24 Absatz 1 und 2 (für gewerbliche Arbeitnehmer), 25 Absatz 1 und 2 (für Angestellte) und 29 Absatz 1 des VTV in den jeweiligen Fassungen.

Die bei der Beklagten in den Kalenderjahren 1991 bis 1993 beschäftigten Arbeitnehmer befaßten sich damit, vornehmlich in Supermärkten, Wohnhäusern und Bürogebäuden Fußböden zu verlegen sowie Treppenstufen und Fensterbänke zu setzen. Verlegt wurden dabei Terrazzoplatten, d. h. vom Lieferanten industriemäßig hergestellte und von diesem bezogene Kunststoffplatten; die Beklagte fertigte keine Platten, Stufen oder Fensterbänke selbst.

Der Kläger hat im ersten Rechtszug in vier separaten Rechtsstreiten unter den Aktenzeichen 6 Ca 1875/92, 6 Ca 767/94, 6 Ca 3380/93 und 6 Ca 4029/93 die Ansicht vertreten, es handele sich beim Betrieb der Beklagten um einen Baubetrieb des Baugewerbes im Sinne des § 1 Abs. 2 VTV, da der Beklage Tätigkeiten ausgeübt habe, die von § 1 Abs. 2 Abschnitt V Nr. 14 bzw. – aufgrund geänderter Numerierung – 15 VTV erfaßt würden (Fliesen-, Platten- und Mosaik- Ansetz- und Verlegearbeiten). Nicht einschlägig sei der Ausnahmetatbestand des § 1 Ab...

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