Entscheidungsstichwort (Thema)

Beitragspflicht von Leiharbeitnehmern zum Sozialkassenverfahren im Baugewerbe

 

Leitsatz (amtlich)

Für die Beurteilung, ob Helfertätigkeiten eines Leiharbeitnehmers in einem Entleiherbetrieb zu einer Beitragspflicht des Verleihers führen, ist auf die Tätigkeit der Arbeitnehmer des Entleiherbetriebs abzustellen, auf die sich die Helfertätigkeiten bezieht. Für die Qualifizierung als beitragspflichtige Zusammenhangstätigkeit kommt es auf die Tätigkeiten im Entleiherbetrieb an.

Es bedarf keiner Entscheidung, ob der Gesetzgeber mit dem Tarifautonomiestärkungsgesetz tatsächlich eine Änderung von § 8 Abs. 3 AEntG dergestalt erreichen wollte, dass ein baufremd in einem Baubetrieb tätiger Leiharbeitnehmer nicht mehr vom VTV erfasst wird.

 

Normenkette

AEntG § 8 Abs. 3; VTV SOKA Bau § 15

 

Verfahrensgang

ArbG Wiesbaden (Entscheidung vom 13.12.2021; Aktenzeichen 10 Ca 271/21 SK)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 15.11.2023; Aktenzeichen 10 AZR 343/22)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 13. Dezember 2021 – 10 Ca 271/21 SK – abgeändert und die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 22.647,- € zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung von Beiträgen an die Sozialkassen des Baugewerbes gemäß § 8 Abs. 3 Arbeitnehmerentsendegesetz (AEntG) i.V.m. §§ 15, 18 Abs. 1 des Tarifvertrags über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe vom 03. Mai 2013 in der Fassung vom 24. November 2015.

Der Kläger ist eine gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien in der Rechtsform eines Vereins mit eigener Rechtspersönlichkeit kraft staatlicher Verleihung. Er ist tarifvertraglich zum Einzug der Beiträge zu den Sozialkassen des Baugewerbes berechtigt und verpflichtet.

Die Beklagte ist eine Personaldienstleisterin, die über die Erlaubnis zur gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung verfügt, und die mit ihren Kunden Arbeitnehmerüberlassungsverträge auf Grundlage das Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes abschließt.

In den Kalendermonaten Dezember 2016 bis September 2017 überließ die Beklagte der A jeweils drei gewerbliche Arbeitnehmer, im Kalendermonat Oktober 2017 sechs gewerbliche Arbeitnehmer und im Kalendermonat November 2017 acht gewerbliche Arbeitnehmer. Bei der A handelt es sich um einen Betrieb, von dessen Mitarbeitern Nachisolierungsarbeiten an Rohrleitungen durch Anbringung von Ummantelungen und Isolierungen in offenen und geschlossenen Rohrgräben und Rohrleitungstiefbauarbeiten einschließlich Aushub von Kabelgräben und dem Durchbohren von Erdreich erbracht werden. Ob es sich bei der A um einen baugewerblichen Betrieb im Sinne des VTV handelt, steht zwischen den Parteien im Streit.

Der Kläger begehrt von der Beklagten für den Zeitraum von Dezember 2016 bis November 2017 im Wege der Durchschnittsbeitragsklage die Zahlung von Beiträgen für das Urlaubsverfahren i.H.v. insgesamt 22.647,- EUR, nachdem er am 27. September 2019 im Rahmen eines Betriebsbesuchs bei der A von der Beschäftigung der Leiharbeitnehmer Kenntnis erlangt hat. Hinsichtlich der Zusammensetzung der Forderung wird auf Blatt 3 der Akte verwiesen. Die Auftragsbestätigungen der Beklagten (Blatt 21 ff. der Akte) weisen aus, dass die Leiharbeitnehmer jeweils als Helfer bzw. Montagehelfer der A überlassen worden sind und dass als Kurzbeschreibung der Tätigkeit jeweils "Allgemeine Helfertätigkeiten" oder "Nachisolieren von Schweißnähten" oder "Nebenarbeiten für Nachisolierung" angegeben ist.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Beklagte sei verpflichtet, die Beiträge für das Urlaubskassenverfahren nach dem VTV für die verliehenen Arbeitnehmer zu entrichten. Die Beklagte habe der A Arbeitnehmer zur Erbringung von Bauleistungen, nämlich zu Nachisolierarbeiten an Rohren, Rohrleitungen und Pipelines auf Baustellen einschließlich damit in Zusammenhang stehenden Helfertätigkeiten und Nebenarbeiten zur Verfügung gestellt. Die Arbeitnehmer der Beklagten hätten Helfertätigkeiten und Nebentätigkeiten erbracht, die auch im Zusammenhang mit den baugewerblichen Tätigkeiten gestanden hätten, die von den Arbeitnehmern des Entleiherbetriebs vorgenommen worden seien.

Der Kläger hat gemeint, die Beitragsansprüche seien nicht verjährt, da er erstmals im Kalenderjahr 2019 von den anspruchsbegründenden Umständen Kenntnis erlangt habe.

Der Kläger hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an ihn 22.647,- EUR zu zahlen.

Die Beklagte hat die Abweisung der Klage beantragt und die Auffassung vertreten, eine Zahlungsverpflichtung bestünde nicht. Die überlassenen Arbeitnehmer hätten selbst keine baulichen Tätigkeiten im Tarifsinne ausgeführt. Ausnahmslos hätten Sie einfache Helfertätigkeiten, etwa Materialtransport, Materialverbringung sowie den Transport von Werkzeug vom Transportfahrzeug zum Einsatzort und zurück, erbracht.

Die Beklagte hat gemeint, sollte die A überwiegend bauliche Leistungen ausgeführt haben, so k...

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