Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialkassenverfahren im Baugewerbe. Geltungsbereich. Rohrleitungsbau. Tarifauslegung

 

Leitsatz (amtlich)

Metall- und Schweißarbeiten in bestehenden Industrieanlagen (hier: Chemiewerk) sind kein Rohrleitungsbau iSd § 1 Abs 2 Abschn V Nr 25 VTV-Bau, auch wenn dabei an – schon vorhandenen – Rohren gearbeitet wird. Eine Trennung zwischen Metall- und Schweißarbeiten an Rohren einerseits und anderen Bestandteilen einer in Betrieb genommenen Anlage andererseits (Pumpen, Kessel, Gitter, Roste usw.) ist nicht möglich, Wartungs- und Instandsetzungsarbeiten an vorhandenen Rohren sich nicht gesondert als „baulich” zu bewerten.

Abgrenzung zu BAG Urteil vom 21. Jan. 2009 – 10 AZR 325/08 – juris

 

Normenkette

VTV-Bau § 1 Abs. 2 Abschn. V Nr. 25; AEntG § 1 Abs. 1, 3; BauRTV § 8 Ziff. 15.1; BGB §§ 133, 157

 

Verfahrensgang

ArbG Wiesbaden (Urteil vom 18.07.2008; Aktenzeichen 8/9 Ca 1280/05)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 17.11.2010; Aktenzeichen 10 AZR 845/09)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 18. Juli 2008 – 8/9 Ca 1280/05 – abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger nimmt die Beklagte auf Urlaubskassenbeiträge für deren im Kalenderjahr 2002 in Deutschland beschäftigten Arbeitnehmer in Anspruch. Die Parteien streiten dabei um den Regelungsgehalt des Begriffs „Rohrleitungsbauarbeiten” nach § 1 Abs. 2 Abschn. V Nr. 25 VTV und um die Abgrenzung zwischen Arbeiten der Metallindustrie und des Metallhandwerks.

Die Beklagte ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung nach ungarischem Recht mit Sitz in Ungarn. Sie führte im Kalenderjahr 2002, wie schon seit 1999, mit Hilfe ungarischer Arbeitnehmer, welche zum deutschen Arbeitsmarkt zugelassen waren, als Subunternehmerin auf der Grundlage von Werkverträgen Arbeiten aus. Dabei setzte sie durchschnittlich 25, in Höchstzeiten bis zu 40, Arbeitnehmer bei insgesamt drei Auftraggebern ein.

Der Kläger ist eine gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien des Baugewerbes. Er hat nach den für allgemeinverbindlich erklärten tarifvertraglichen Regelungen des Baugewerbes (Bundesrahmentarifvertrag für das Baugewerbe (BRTV/Bau); Tarifvertrag für das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (VTV)) insbesondere die Aufgabe, die Auszahlung der tarifvertraglich vorgesehenen Urlaubsvergütungen zu sichern. Zu diesem Zweck haben die den Bautarifverträgen unterfallenden Arbeitgeber monatliche Beiträge in Höhe eines bestimmten Prozentsatzes der Bruttolohnsumme der beschäftigten gewerblichen Arbeitnehmer an den Kläger zu zahlen.

Im Jahr 2002 war der Bundesrahmentarifvertrag für das Baugewerbe (BRTV/Bau), zunächst in der Fassung vom 20. Dezember 1999, ab 01. September 2002 in der Fassung vom 04. Juli 2002, für allgemeinverbindlich erklärt. Ebenso galt kraft Allgemeinverbindlichkeitserklärung der Tarifvertrag über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe vom 20. Dezember 1999 (VTV) in den Fassungen vom 19. Dezember 2001, 27. Februar 2002 und zuletzt 04. Juli 2002.

Im VTV hieß es, soweit für das Verfahren erheblich:

㤠1

Geltungsbereich

(1) Räumlicher Geltungsbereich:

Das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland.

(2) Betrieblicher Geltungsbereich:

Betriebe des Baugewerbes. Das sind alle Betriebe, die unter einen der nachfolgenden Abschnitte I bis IV fallen.

Abschn. V

Zu den in den Abschnitten I – III genannten Betrieben gehören z. B. diejenigen, in denen Arbeiten der nachstehend aufgeführten Art ausgeführt werden:

25.

Rohrleitungsbau-, Rohrleitungstiefbau-, Kabelleitungstiefbauarbeiten und Bodendurchpressungen;

…”

Die für den Klagezeitraum einschlägigen Bestimmungen über die Allgemeinverbindlicherklärung des VTV verwiesen hinsichtlich ihrer Reichweite auf die Einschränkungen gemäß dem Ersten Teil der Maßgaben in der Bekanntmachung über die Allgemeinverbindlicherklärung von Tarifvertragswerken für das Baugewerbe (AVE-Bekanntmachung) vom 17. Januar 2000 (BAnz. Nr. 20 vom 29. Januar 2000 S. 1385) Diese Maßgaben (Einschränkungsklauseln) bestimmen zur Einschränkung der Allgemeinverbindlichkeit u. a.:

„Erster Teil

Einschränkungen der Allgemeinverbindlicherklärung auf Antrag

I.

1. Die Allgemeinverbindlicherklärung erstreckt sich nicht auf Betriebe und selbständige Betriebsabteilungen von Arbeitgebern mit Sitz im Inland oder Ausland, die unter einen der im Anhang abgedruckten fachlichen Geltungsbereiche der am 1. Juli 1999 (Stichtag) geltenden Tarifverträge … der Metall- und Elektroindustrie fallen.

Anhang

Die maßgebenden fachlichen Geltungsbereiche von Tarifverträgen lauten wie folgt:

Metall- und Elektroindustrie

Für alle Betriebe der Eisen-, Metall- und Elektroindustrie; darunter fallen – ohne Rücksicht auf die verarbeiteten Grundstoffe – insbesondere folgende Fachzweige:

1. … Schweißerei, … Stahl- und Leichtmetallbau, …

3. Verwaltungen, Niederlassungen, Forschungs- und Entwicklungsbetriebe, Konstruktionsbüros, Montagestellen sowie alle Hilfs- und Nebenbetriebe vorge...

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