Entscheidungsstichwort (Thema)

Schadenersatz. Verwirkung

 

Leitsatz (redaktionell)

Gerade bei arbeitsvertraglich begründeten Ansprüchen kann der jeweilige Schuldner im allgemeinen sehr frühzeitig damit rechnen, dass der Berechtigte ein (vermeintliches) Recht nicht mehr geltend machen werde. Dies hat vor allem darin seine Ursache, dass das Arbeitsleben sehr weitgehend durch kurzfristige gesetzliche, tarif- und einzelarbeitsvertragliche Ausschlussfristen von in der Regel wenigen Wochen bis maximal sechs Monaten seit Entstehen oder Fälligkeit eines Rechts bestimmt wird. Hintergrund ist der Zweck, eine möglichst große Rechtssicherheit sowie schnellstens Klarheit bezüglich arbeitsrechtlicher Ansprüche zu schaffen. Dies insbesondere auch deshalb, weil es dem Anspruchsgegner im Dauerschuldverhältnis (sowie seinen früheren Kollegen und Vertragspartnern) – wie bereits zuvor erwähnt – wegen der Vielzahl gleichförmiger Arbeitsvorgänge besonders schwer fällt, sich nach Ablauf nur weniger Wochen an einzelne Vorgänge und Vorfälle zu erinnern und sich bei Vorhaltungen entlastendes Material zu verschaffen.

 

Normenkette

BGB § 242

 

Verfahrensgang

ArbG Darmstadt (Urteil vom 24.06.2003; Aktenzeichen 3 Ca 478/02)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Darmstadt vom 24.06.2003, Az. 3 Ca 478/02, abgeändert:

Das Versäumnisurteil des Arbeitsgerichts Darmstadt vom 03.06.2003 wird aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu tragen, mit Ausnahme der durch die Säumnis des Beklagten am 03.06.2003 veranlassten Kosten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über Schadensersatzansprüche der Klägerin, die dem Beklagten das grob fahrlässige Verletzen arbeitsvertraglicher Pflicht vorwirft, sowie über die Höhe des Schadens.

Der Beklagte stand seit Juli 1988 mit der Klägerin beziehungsweise mit deren Rechtsvorgängerinnen in einem Arbeitsverhältnis als Dental-Reisender; seine Aufgabe bestand unter anderem darin, Edelmetallabfälle, die bei der Klägerin geschieden werden sollten, entgegenzunehmen (Arbeitsvertrag und Stellenbeschreibung gemäß Anlagen K 1 und 2 zur Klageschrift). Der Beklagte schied aufgrund Eigenkündigung vom 29.6.1999 mit Ablauf des 30.12.1999 bei der Beklagten aus.

Am 18.10.1999 holte der Beklagte bei der Bezirkszahnärztekammer X. Scheidgut ab, das deren Mitglieder im Laufe des Jahres im Rahmen gemeinnütziger Aktionen gesammelt hatten. Er nahm das bereits in Eimern abgepackte Altgold vom Hausmeister A. entgegen und unterzeichnete die Bescheinigung vom 18.10.1999, wegen deren Inhalts auf Anlage K 3 (Blatt 28 der Akte) Bezug genommen wird. Der Beklagte überprüfte bei Übernahme der Eimer weder deren Inhalt noch deren Gewicht, sondern gab sich mit der Auskunft des Hausmeisters zufrieden, dass keine geeignete Waage vorhanden sei, man daher kleinere Einheiten gewogen und den Rest geschätzt habe.

Am 25.10.1999 lieferte der Beklagte das Scheidgut der Bezirksärztekammer bei der Klägerin ab, ohne die Bescheinigung vom 18.10.1999 zu übergeben. Der Mitarbeiter B., der für die Klägerin täglich mehrere Scheidgutsendungen entgegennimmt, wog im Beisein des Beklagten für drei Aktionen die Bruttogewichte von 6,25 kg, 3,862 kg und 77,137 kg; daraufhin fertigten die beiden den Auftragschein vom „18.10.99”, wegen dessen Inhalts auf Anlage K 7 (Blatt 36 der Akte) verwiesen wird.

Für die Aktion Z überwies die Klägerin der Bezirkszahnärztekammer 750.857,57 DM und übersandte ihr am 29.11.1999 eine diesbezügliche „Gutschrift”; auf die Anlage 10 (Blatt 39 der Akte) wird insoweit Bezug genommen.

Am 20.12.1999 beschwerte sich die Bezirkszahnärztekammer bei der Klägerin über die geringe Höhe der ihr erteilten Gutschrift für die Aktion Z. Weil die Bezirkszahnärztekammer – nach Darstellung der Klägerin – auf weitere Gutschriften drängte und einen Fehlbetrag von 611.561,76 DM errechnete, vereinbarte die Klägerin mit dieser unter dem 28.1.2000/2.2.2000 eine vergleichsweise Regelung, wie sie im Einzelnen der Anlage K 13 (Blatt 43 der Akte) entnommen werden kann. Mit Gutschrift vom 28.1.2000 vergütete die Klägerin daraufhin weitere 272.481,25 DM, entsprechend 139.317,45 EUR.

Erstmals mit Schreiben vom 28.6.2002 (Anlage 18 zur Klageschrift, Blatt 53 der Akte) forderte die Klägerin den Beklagten unter Fristsetzung zum 1.8.2002 auf, diesen Betrag als Schadensersatz wegen grob fahrlässiger Pflichtverletzung von Sorgfaltspflichten im Zusammenhang mit der Scheidgutabholung am 18.10.1999 zu leisten; nach fruchtlosem Fristablauf werde die Forderung in voller Höhe eingeklagt.

Der Beklagte ließ mit Rechtsanwaltsschreiben vom 1.7.2002 die Zahlungsansprüche zurückweisen (Anlage K 19, Blatt 58 der Akte).

Mit ihrer Klage vom 8.10.2002, dem Beklagten zugestellt am 25.10.2002, verfolgt die Klägerin ihren Schadensersatzanspruch weiter.

Am 23.12.1999 hatte die Klägerin Strafanzeige wegen des Verdachts der Unterschlagung oder Untreue gegen den Beklagten erstattet. Die Staatsanwaltschaft stellte das...

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