Rechtsbeschwerde zugelassen

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Betriebsverfassungsrechtlicher Unterlassungsanspruch/Mitbestimmung bei der Arbeitszeit Teilzeitbeschäftigter

 

Leitsatz (amtlich)

1 Der Betriebsrat hat gemäß § 87 Abs. 1 Ziffer 3 BetrVG auch bei der vorübergehenden Verlängerung der Arbeitszeit teilzeitbeschäftigter Arbeitnehmer mitzubestimmen.

2 Er hat den Anspruch, die Unterlassung mitbestimmungswidrigen Handelns des Arbeitgebers zu verlangen,

 

Normenkette

BetrVG § 87 Abs. 1 Ziff. 3

 

Verfahrensgang

ArbG Darmstadt (Beschluss vom 30.11.1989; Aktenzeichen 7 BV 13/89)

 

Tenor

Auf die Beschwerde des antragstellenden Betriebsrates wird der Beschluß des Arbeitsgerichts Darmstadt vom 30.11.1989 – 7 BV 13/89 – teilweiße abgeändert:

Dem Arbeitgeber (Antragsgegnerin) wird aufgegeben, es zu unterlassen, Arbeit teilzeitbeschäftigter Arbeitnehmer anzuordnen oder entgegenzunehmen, die deswegen erforderlich wird, weil Krankheits- oder Urlaubsvertretungen vorzunehmen sind oder zusätzlicher Arbeitsanfall vorliegt, soweit das vertraglich vereinbarte Arbeitszeitvolumen überschritten wird. Für jeden Fall der Zuwiderhandlung wird dem Arbeitgeber ein Ordnungsgeld bis zu 20.000,– DM (i.W. Zwanzigtausend D-Mark) angedroht.

Im übrigen wird die Beschwerde des Betriebsrats zurückgewiesen.

Die Beschwerde des Arbeitgebers wird zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Tatbestand

I.

Der Arbeitgeber (Antragsgegner) ist ein international operierendes Unternehmen, das Warensendungen und Dokumente befördert. Der Antragsteller ist der für den … Betrieb gewählte Betriebsrat.

Die Beteiligten streiten über die Rechtsfrage, ob die betrieblich veranlaßte Beschäftigung von Teilzeitkräften über das vertraglich vereinbarte Arbeitszeitvolumen hinaus dem Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates gemäß § 87 Abs. 1 Ziff. 3 BetrVG unterliegt,

Der Arbeitgeber beschäftigt im … Betrieb insgesamt 215 Arbeitnehmer, nämlich in der Hauptverwaltung 103, in der Station 112 Arbeitnehmer, davon 31 Teilzeitkräfte. Das wöchentliche Arbeitszeitvolumen der Teilzeitkräfte ist arbeitsvertraglich festgelegt. Die Lage der Arbeitszeit ist zum Teil ebenfalls vertraglich bestimmt, zum Teil erfolgt der Arbeitseinsatz jeweils nach Vereinbarung. Die Teilzeitkräfte werden in unterschiedlichen Abteilungen eingesetzt. Auf die vom Arbeitgeber erstellte Übersicht (Bl. 34 + 35 d.A.) wird wegen der Einzelheiten inhaltlich Bezug genommen.

Die Beteiligten haben keine Regelung über die Verteilung der Arbeitszeit Teilzeitbeschäftigter gemäß § 87 Abs. 1 Ziff. 2 BetrVG getroffen. Die am 01.07.1987 geschlossene, vom Arbeitgeber im Sommer 1988 gekündigte „Betriebsvereinbarung Überstunden enthält in Ziff. 4 folgende Regelung:

Die Geschäftsleitung der … verpflichtet sich, sämtliche anfallenden Überstunden gegenüber dem Betriebsrat an jedem Monatsende, spätestens jedoch anläßlich des einmal monatlich stattfindenden Gesprächs zwischen Betriebsrat und Geschäftsleitung, auf alle Arbeitnehmer einzeln aufgeschlüsselt vorzulegen. Bei korrekter Handhabung der unter Absatz 1 und 4 genannten Veerfahrensweise kann der Betriebsrat auf die vorherige Genehmigung von Überstunden gemäß § 87 Abs. 1 und 3 BetrVG verzichten.

Nachdem es zwischen den Beteiligten wegen der Überstunden zum Streit gekommen war, wies der Betriebsrat den Arbeitgeber mit Schreiben vom 23.11.1988 darauf hin, daß er nunmehr auf der vorherigen Genehmigung der Überstunden bestehe.

Der Arbeitgeber zog auch nach dem 23.11.1988 Teilzeitkräfte ohne Beteiligung des Betriebsrats zum Zwecke der Urlaubs- und Krankheitsvertretung oder zur Bewältigung zusätzlichen Arbeitsanfalles über das vertraglich vereinbarte Arbeitszeitvolumen hinaus heran. Auf die vom Betriebsrat aufgelisteten Einzelfälle (Bl. 44–48 d.A.) wird Bezug genommen. Dies war auch später in ähnlicher Weise der Fall. Nach dem zweitinstanzlich unstreitig gebliebenen Vortrag des Betriebsrats handelt es sich um eine kontinuierliche Praxis.

Der Betriebsrat hat die Ansicht vertreten, daß die betrieblich veranlaßte Verlängerung der Arbeitszeit Teilzeitbeschäftigter seinem Mitbestimmungsrecht nach. § 87 Abs. 1 Ziff. 3 BetrVG unterliege. Der Arbeitgeber habe daher eine einseitige Heranziehung zu unterlassen. Jedenfalls müsse eine entsprechende Feststellung getroffen werden, damit der andauernde betriebliche Streit beigelegt werde.

Der Betriebsrat hat beantragt,

dem Antragsgegner aufzugeben, es zu unterlassen, über die vertraglich vereinbarte übliche Arbeitszeit der Teilzeitbeschäftigten hinaus Arbeit für sie anzuordnen oder Arbeit von ihnen entgegenzunehmen

und

dem Antragsgegner für jeden Fall der Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld bis zu 500.000,– DM, ersatzweise Haft des Geschäftsführers, anzudrohen;

hilfsweise

Feststellungen im Umfang des Hauptantrages zu treffen.

Der Arbeitgeber hat beantragt,

die Anträge zurückzuweisen.

Der Arbeitgeber hat die Ansicht vertreten, die Antrage seien unzulässig, da der Betriebsrat sein Mitbestimmungsrecht gemäß der Betriebsvereinbarung vom 01.07.1989 ausgeübt habe. Diese gelte tro...

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