1 Normzweck

 

Rz. 1

Die Vorschrift normiert die Befugnisse jedes Überweisungsgläubigers, die Erfüllung der dem Drittschuldner durch die §§ 853 bis 855a ZPO auferlegten Pflichten im Fall der Mehrfachpfändung im Wege der Klage durchzusetzen. Die Befugnis zur Erhebung der Einziehungsklage bleibt jedoch von der Regelung unberührt (MünchKomm/ZPO-Smid, § 856 Rn. 1).

Darüber hinaus dient die Regelung auch dem Schutz des Drittschuldners. Dieser wäre ansonsten gezwungen, mehrfach einen Prozess über denselben Anspruch zu führen (LG München I, Urteil v. 15.2.2012, 15 O 9246/11; Hahn, Die gesamten Materialien zu den Reichs-Justizgesetzen, Berlin 1880, zweiter Band: Materialien zur Zivilprozessordnung, S. 461, Begründung des Entwurfs zu § 700 CPO: "Andererseits darf durch die mehrfache Pfändung die Lage des Drittschuldners nicht dahin verschlechtert werden, dass er sich gegen jeden Gläubiger besonders zu verteidigen hat". § 700 CPO-Entwurf wurde unverändert als § 753 CPO im Jahre 1877 Gesetz und ist inhaltsgleich mit dem heutigen § 856 ZPO), und hätte ein entsprechendes Kosten- und Ausfallrisiko zu tragen.

2 Klageverfahren

 

Rz. 2

Die Klage auf Hinterlegung von Geld kann jeder Gläubiger stellen, dem der Anspruch zur Einziehung oder an Zahlungs statt überwiesen wurde (LG München I, Urteil v. 15.2.2012, 15 O 9246/11 - Juris m. w. N.). Ist eine Klage erhoben, kann sich ein anderer Pfändungsgläubiger der Klage als notwendiger Streitgenosse anschließen (Abs. 2).

Voraussetzung für eine Klage eines Gläubigers gg. den Drittschuldner ist, dass der Gläubiger aktivlegitimiert ist. Dies setzt voraus, dass die Forderung des Schuldners gg. den Drittschuldner vom Gläubiger gepfändet und überwiesen wurde (vgl. §§ 835, 849 ZPO). Die Klage ist im Fall des § 853 ZPO auf Hinterlegung des Geldes gerichtet und erfordert die Bezifferung der zu hinterlegenden Klagesumme (vgl. ArbG Wiesbaden, ARST 1982, 77), im Fall der §§ 854, 855, 855a ZPO auf Herausgabe der Sache an den Gerichtsvollzieher, Sequester bzw. Treuhänder und bei Übereignungsansprüchen auf Übereignung an den Schuldner. Einem nachrangigen Pfändungsgläubiger steht es jedoch frei, statt auf Hinterlegung zu klagen, seine Klage direkt auf Leistung an den Bestberechtigten zu richten (gesetzl. Prozessstandschaft; LAG Berlin, BB 1991, 144).

 

Rz. 3

Da über den materiellen Anspruch eines Pfändungsgläubigers nach den §§ 853855a ZPO nur einmal entschieden werden kann (MünchKomm/ZPO-Smid, § 856, Rn. 6), steht dem Drittschuldner ab dem Zeitpunkt der Erhebung der Klage (vgl. § 253 Abs. 1 ZPO) eine dem Einwand der anderweitigen Rechtshängigkeit (§ 261 Abs. 3 Nr. 1 ZPO) entsprechende Einrede zu (OLG München, WM 2007, 760). Denn ob der (gepfändete) Anspruch besteht, ist für alle Gläubiger gleich zu beurteilen.

Haben daher mehrere Pfändungspfandgläubiger, denen der gepfändete Zahlungsanspruch jeweils zur Zahlung überwiesen worden ist, gleichzeitig Zahlungsklage gegen den Drittschuldner erhoben, so steht beiden Klagen das Prozesshindernis doppelter Rechtshängigkeit (§ 261 Abs. 3 Nr. 1 ZPO) entgegen. Eine streitgenössische Klage ist in einem solchen Fall nur mit dem Klageziel der Hinterlegung (§§ 56, 853, 856 Abs. 2 ZPO) zulässig (OLG München, WM 2007, 760).

 

Rz. 4

Für die Klage ist derselbe Rechtsweg gegeben, wie für eine Klage des Schuldners gegen den Drittschuldner, sodass für eine Klage des Gläubigers auf Hinterlegung des gepfändeten Arbeitsentgelts das ArbG zuständig ist (OLGR Stuttgart, 1999, 242). Denn durch die Überweisung zur Einziehung wird der Charakter dieses Anspruchs nicht geändert. Für die Klage des Gläubigers gegen den Drittschuldner bleibt daher das Gericht sachlich und örtlich zuständig, bei dem der Schuldner seine Forderung gegen den Drittschuldner nach den gesetzlichen Bestimmungen über Rechtsweg und Zuständigkeit geltend machen müsste (VGH Hessen, NJW 1992, 1253). Mit dem Pfändungs- und Überweisungsbeschluss wird dem Gläubiger lediglich das Recht zur Einziehung erteilt. Daraus folgt, dass auch bei einer Klage nach § 856 ZPO der gepfändete Anspruch des Schuldners streitgegenständlich bleibt, was sich schon daraus ergibt, dass der Drittschuldner alle Einwendungen, die den Bestand des gepfändeten Anspruchs berühren, erheben darf (Stein/Jonas/Brehm, § 856 Rn. 6; MünchKomm/ZPO-Smid, § 856 ZPO Rn. 9). Nach a. A. (Mewing, Beck’sches Prozessformularbuch III. B. 16 S. 989) wird in einer Klage nach § 856 ZPO nur ein eigener gesetzlicher Anspruch des Gläubigers gegen den Drittschuldner eingeklagt. Diese Auffassung übersieht jedoch, dass die in den §§ 853 bis 855a ZPO normierten Hinterlegungs- und Herausgabepflichten des Drittschuldner nicht unabhängig von einer ihn treffenden Leistungspflicht etwa nur als verfahrensrechtliche Pflichten bestehen (MünchKomm/ZPO-Smid, § 856 ZPO Rn. 9). Das Hinterlegungsverlangen des Klägers nach § 853 ZPO stellt vielmehr nur eine besondere Art des Einziehungsprozesses dar (Schuschke, Vollstreckung und vorläufiger Rechtsschutz, § 856 Rn. 2).

 

Rz. 5

Dem Schuldner ist der Streit zu verkünden (vgl. § 841 ZPO

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