Rz. 4

Der Gerichtsvollzieher kann dem Schuldner auf der Grundlage einer positiven Erfüllungsprognose (BGH, NJW 2016, 876 = MDR 2016, 354 = WM 2016, 649 = Rpfleger 2016, 360-363) eine Zahlungsfrist einräumen (Abs. 2 Satz 1 Alt. 1 ZPO). Dies beinhaltet das Zugeständnis an den Schuldner einerseits den vollen vollstreckbaren Betrag zu zahlen oder aber auch Teilleistungen in Form von Ratenzahlungen zu gestatten (Abs. 2 Satz 2 Alt. 1 ZPO). Das Gesetz spricht bei beiden Alternativen von einem Zahlungsplan (Abs. 2 Satz 2 ZPO). Eine von den Parteien oder ihren Verfahrensbevollmächtigten ohne Mitwirkung des Gerichtsvollziehers getroffene Vereinbarung ist nicht ausreichend.

3.1.1 Allgemeine Voraussetzungen

 

Rz. 5

Allgemein setzt die gütliche Erledigung voraus (vgl. auch Schwörer, DGVZ 2011, 77, 78):

  • einen Auftrag des Gläubigers, der

    • entweder eine isolierte gütliche Erledigung oder,
    • eine andere der in § 802a Abs. 2 Satz 1 ZPO genannten Vollstreckungsmaßnahmen beinhalten muss (Schwörer, DGVZ 2011, 77, 78).
  • keinen von vornherein bestehenden – ausdrücklichen (vgl. Rz. 6) – Ausschluss der Zahlungsvereinbarung durch den Gläubiger in seinem Vollstreckungsauftrag (sog. Widerspruchslösung).
  • die glaubhafte Darlegung der Leistungsfähigkeit des Schuldners,
  • die Tilgung binnen 12 Monaten (Abs. 2 Satz 3 ZPO).

Diese qualifizierten Anforderungen – insbesondere die dem Schuldner auferlegte Last zur Glaubhaftmachung einer positiven Zahlungsprognose – haben lediglich den Zweck, im Interesse des Gläubigerschutzes die dem Gerichtsvollzieher zugleich gemäß § 754 ZPO eingeräumte Ermächtigung zum Abschluss einer für den Gläubiger verbindlichen Zahlungsvereinbarung zu begrenzen (BGH, NJW 2016, 876 = MDR 2016, 354 = WM 2016, 649 = Rpfleger 2016, 360). Liegen die Voraussetzungen – und zwar für jede einzelne Vollstreckungsangelegenheit betrachtet (vgl. § 68 Abs. 4 GVGA) – vor, so hat der Gerichtsvollzieher – trotz des Gesetzeswortlauts ("kann") – keinen Ermessensspielraum. Er muss die Zwangsvollstreckung aufschieben (Zöller/Seibel, § 802b Rn. 3).

3.1.2 Gläubigerzustimmung

 

Rz. 6

Die Stundungsbewilligung (Einräumung einer Zahlungsfrist oder Ratenzahlung) setzt stets das Einverständnis des Gläubigers voraus, welches nach § 802a Abs. 2 Satz 1 ZPO konkludent (Seip, DGVZ 2008, 38) vermutet wirdi Die Gläubigerzustimmung muss sich also nicht nur auf das "Ob" einer gütlichen Erledigung beziehen, sondern auch auf deren konkrete Ausgestaltung, also insbesondere den Zeitraum, die Ratenhöhe und –fälligkeit (Schwörer, DGVZ 2010, 77, 78). Der Gerichtsvollzieher ist daher auf Grund des Vollstreckungsauftrages zur Stundungsbewilligung befugt, wenn der Gläubiger in seinem Antrag derartige Maßnahmen nicht ausdrücklich ausschließt (Widerspruchslösung; vgl. auch Modul F zur Gerichtsvollzieherformularverordnung; BGBl. I S. 1586). Insbesondere kann der Gläubiger sein Einverständnis auf Mindestraten und Höchstfristen beschränken; der Gerichtsvollzieher ist daran gebunden (BT-Drucks. 16/10069 S. 24). Die Widerrufsobliegenheit des Gläubigers besteht dabei auch in den Fällen, in denen der Gerichtsvollzieher abweichend von Abs. 2 Satz 3 ZPO eine zwölf Monate übersteigende Tilgungsfrist einräumt.

3.1.3 Wirkungen der wirksamen Zahlungsvereinbarung

 

Rz. 7

Mit der Gestattung der Zahlungsvereinbarung ist eine Abrede zwischen Gerichtsvollzieher und Schuldner auf vertraglicher Basis nicht zustande gekommen, weil der Gerichtsvollzieher nicht aufgrund Privatautonomie, sondern kraft des ihm verliehenen öffentlichen Amtes in Ausübung der staatlichen Vollstreckungsgewalt gehandelt hat. Der Gerichtsvollzieher ist nicht Vertreter des Gläubigers (BGH, Vollstreckung effektiv 2006, 178 = NJW 2006, 3640 = DGVZ 2006, 133).

Die wirksame Zahlungsvereinbarung berechtigt den Gerichtsvollzieher zur Entgegennahme von Leistungen (Raten) des Schuldners (§ 754 Abs. 1 ZPO). Abs. 2 Satz 2 ZPO bestimmt als verfahrensrechtliche Folge der materiell-rechtlichen Stundungsbewilligung einen Vollstreckungsaufschub, bewirkt somit eine einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung. Solange der Aufschub gilt, darf die Vollstreckung nicht fortgesetzt werden.

Geleistete Zahlungen sind an den Gläubiger – nach Abzug der Kosten – abzuführen. Bei mehreren Zahlungsplänen ist dabei jeder einzelne Plan, d. h. jede Zwangsvollstreckung, für sich zu betrachten. Begleicht der Schuldner daher bei mehreren Zahlungsplänen zur gütlichen Erledigung eine Rate, ist diese Rate auf den Vorgang zu verrechnen, für den die Zahlung bestimmt ist (AG Hamburg, DGVZ 2016, 108).

Die Wirkungen treten bereits in dem Augenblick ein, in dem der Zahlungsplan festgesetzt wird – also i. d. R. beim persönlichen Zusammenkommen zwischen Gerichtsvollzieher und Schuldner. Die Vollstreckung ist solange aufgeschoben, bis der Gläubiger nach Unterrichtung über die Zahlungsvereinbarung von seinem Widerspruchsrecht Gebrauch macht. Insofern tritt zunächst eine schwebende Unwirksamkeit ein (Schwörer, DGVZ 2011, 77, 79).

 

Rz. 8

Fraglich ist, ob der Vollstreckungsaufschub sich lediglich auf die Gerichtsvollziehervollstreckung beschränkt, oder sich darüber hinaus auch auf andere Vo...

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