Leitsatz

Getrennt lebende Eltern stritten sich um die elterliche Sorge und das Umgangsrecht mit ihrem am 17.10.2001 geborenen Sohn, der seit ihrer Trennung in dem Haushalt seiner Mutter lebte und für den sie elterliche Sorge gemeinsam ausübten. Im Ehescheidungsverfahren beantragte die Mutter, ihr die elterliche Sorge allein zu übertragen. Diesem Antrag wurde stattgegeben. Kernproblem des Falles war die Frage, welche Voraussetzungen für die Aufrechterhaltung einer gemeinsamen elterlichen Sorge erfüllt sein müssen.

 

Sachverhalt

Die am 20.3.1961 in Hamburg geborene Antragstellerin und der am 19.2.1974 in Lelouma/Guinea geborene Antragsgegner heirateten am 25.4.2002. Sie haben einen am 17.10.2001 geborenen Sohn, der den Familiennamen des Vaters trägt. Seit der Trennung der Eltern - nach Angaben der Mutter im Juni 2003, nach Angaben des Vaters im März 2005 - lebte der Sohn in dem Haushalt seiner Mutter.

Anlässlich einer Auseinandersetzung zwischen den Eltern am 19.3.2005 kam es zu einem Polizeieinsatz.

Über das Umgangsrecht bestand zwischen den Eltern Streit. Der Sohn verbrachte nach einer zwischen ihnen getroffenen Vereinbarung alle 14 Tage an einem Tag des Wochenendes die Zeit von 11.00 Uhr bis 18.00 Uhr mit seinem Vater, der Übernachtungsbesuche seines Sohnes bei ihm begehrte.

Im Ehescheidungsverfahren beantragte die Mutter, ihr die elterliche Sorge alleine zu übertragen und begründete ihren Antrag damit, sie könne mit dem Vater für das Kind wichtige Sachverhalte nicht besprechen. Schon vor der Trennung im Jahre 2002 sei er in Guinea gewesen und nicht absprachegemäß zurückgekehrt, ohne ihr eine Nachricht hierüber gegeben zu haben. Auch in den Jahren 2004 und 2005 sei er jeweils für längere Zeit ohne Absprache nicht erreichbar gewesen.

Die Beantragung eines Reisepasses für das Kind habe nur nach einer entsprechenden gerichtlichen Regelung erfolgen können, da der Vater sich geweigert habe, die notwendige Unterschrift zu leisten.

Sie sei in großer Sorge, dass der Vater das Kind in sein Heimatland oder in anderes Ausland verbringen könne. Während des Zusammenlebens habe er häufig durchblicken lassen, dass er die bundesdeutsche Gesellschaft für sittenlos halte verbunden mit der Drohung, seinem Sohn bei seiner Familie eine sittlichere Erziehung zukommen zu lassen.

Der Sohn berichte von häufigen Besuchen der Moschee und habe beklagt, er finde das viele Beten langweilig. Sie sei grundsätzlich damit einverstanden, ihm die Kenntnis der Religion des Vaters zu vermitteln, nicht aber damit, dass er vom Vater als Moslem erzogen werde. Es sei in der Vergangenheit immer wieder zu Streitigkeiten zwischen den Eltern über Belange des Kindes gekommen. Eine Aufrechterhaltung der gemeinsamen elterlichen Sorge sei daher nicht möglich.

Das AG hat die Ehe der Parteien durch Urteil vom 5.7.2007 geschieden und der Mutter die alleinige elterliche Sorge übertragen. Gegen die Entscheidung zur elterlichen Sorge hat der Vater Beschwerde gegen das erstinstanzliche Urteil eingelegt.

Sein Rechtsmittel hatte keinen Erfolg.

 

Entscheidung

Das OLG teilte die Auffassung des erstinstanzlichen Gerichts, wonach die gemeinsame elterliche Sorge aufzuheben und der Mutter das alleinige Sorgerecht zu übertragen war.

Es fehle das zur Aufrechterhaltung gemeinsamer elterlicher Sorge erforderliche Mindestmaß an Kommunikationsfähigkeit. Für das Kind relevante Sachverhalte würden von beiden Eltern höchst unterschiedlich wahrgenommen und geschildert. Demzufolge sei es ihnen nicht möglich, in Angelegenheiten von erheblicher Bedeutung i.S.v. § 1687 Abs. 1 S. 1 BGB, nämlich Fragen der Gesundheitsfürsorge und Einbindung des Kindes in religiöse Aktivitäten des Vaters sowie Reiseplanungen in die Heimat des Vaters, eine Einigung herbeizuführen.

Schon über den Trennungszeitpunkt habe eine Einigung nicht herbeigeführt werden können. Dies gelte auch für die Frage, ob und wann der Vater für die Mutter und den Sohn nicht erreichbar gewesen sei. Auch über die gesundheitliche Betreuung des Kindes und seine religiöse Erziehung habe es Streit gegeben.

Angesichts der Auseinandersetzungen der Eltern in der Vergangenheit bestehe die begründete Besorgnis, dass sie auch in Zukunft nicht in der Lage sein würden, ihre Streitigkeiten in wesentlichen Bereichen der elterlichen Sorge konstruktiv und ohne gerichtliche Auseinandersetzung beizulegen. Eine erzwungene fortgesetzte Kooperation der Eltern, die von gegenseitigem Misstrauen geprägt sei, führe für den Sohn zwangsläufig zu erheblichen Belastungen.

Angesichts der tief greifenden Kommunikationsunfähigkeit der Eltern reiche es nicht aus, die gemeinsame elterliche Sorge lediglich in Teilbereichen aufzuheben und im Übrigen aufrechtzuerhalten. Die Aufhebung der gemeinsamen elterlichen Sorge und die Übertragung der elterlichen Sorge gerade auf die Antragstellerin entspreche dem Kindeswohl am besten.

 

Link zur Entscheidung

OLG Hamburg, Beschluss vom 05.04.2007, 10 UF 45/07

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