Leitsatz

Bei einer Zwangsversteigerung im Internet (Justizauktion) durch einen Gerichtsvollzieher umfasst dessen Amtspflicht zur Ablieferung der ersteigerten Ware an den Versender auch deren ordnungsgemäße Verpackung. Diese muss den Bedingungen entsprechen, die der Frachtführer für den Versand aufgestellt hat.

LG Magdeburg, 24.11.2011 – 10 O 672/11

I. Der Fall

Kaffeemaschine unter www.justiz-auktion.de ersteigert

Der Kläger macht einen Schadensersatzanspruch wegen einer behaupteten Amtspflichtverletzung geltend, nachdem er an einer Justizauktion im Internet unter der Adresse www.justiz-auktion.de teilgenommen hatte. Nach Bezahlung von 1.370,00 EUR (1.350,00 EUR Kaufpreis + 20,00 EUR Versand) verschickte die Gerichtsvollzieherin die Kaffeemaschine als Paket mit dem Frachtführer D an den Kläger.

Hat der GV die Maschine nicht richtig verpackt?

Am 24.10.2010 erhielt der Kläger das Paket mit der Kaffeemaschine. Er behauptet, die Kaffeemaschine sei in einem einfachen, instabilen und vor Erschütterungen nicht gesicherten Karton verpackt gewesen. Die Maschine sei erheblich beschädigt gewesen. Als Füllmaterial seien lediglich Zeitungsschnipsel und Styropor verwendet worden, die jedoch nicht ausreichten, um das Gerät zu schützen.

Ersteigerer verlangt Schadensersatz

Der Kläger ist der Meinung, dass die Kaffeemaschine durch die Gerichtsvollzieherin nicht ordnungsgemäß verpackt gewesen sei. Die Verpackung habe nicht den Verpackungsbedingungen des Frachtführers entsprochen. Damit liege eine Amtspflichtverletzung durch die Gerichtsvollzieherin vor. Die Amtspflicht umfasse auch die ordnungsgemäße Verpackung der Ware. Der Kläger verlangt nun als Schadensersatz den von ihm gezahlten Preis für die Kaffeemaschine nebst Transportkosten zurück.

II. Die Entscheidung

Keine anderweitige Ersatzmöglichkeit

Das Landgericht prüft einen Anspruch aus Amtspflichtverletzung nach § 839 BGB. Zunächst steht § 839 Abs. 1 S. 2 BGB (anderweitige Ersatzmöglichkeit) im vorliegenden Fall einem Amtshaftungsanspruch nicht entgegen. Der Geschädigte hat ein Recht auf alsbaldigen Schadensersatz (BGHZ 120, 124). Eine anderweitige Ersatzmöglichkeit fehlt regelmäßig dann, wenn ein solcher Anspruch nicht in absehbarer oder angemessener Zeit durchzusetzen wäre (BGH NJW-RR 2008, 338). Auch weitläufige unsichere oder im Ergebnis zweifelhafte Wege des Vorgehens braucht der Geschädigte nicht einzuschlagen. Die Ausnutzung anderweitiger Ersatzmöglichkeiten muss mithin dem Geschädigten zumutbar sein. Eine anderweitige Ersatzmöglichkeit besteht nicht, nachdem der Frachtführer behauptet hat, dass die Verpackung nicht seinen Verpackungsbedingungen entsprach. Der Kläger hätte deshalb auch hier den Rechtsweg gegen D beschreiten müssen.

Versendung gehört zur Amtspflicht

Die GV handelte auch als Amtsträgerin in Ausübung eines öffentlichen Amtes. Die Justizauktion ist eine Versteigerung nach dem Zwangsvollstreckungsrecht. Ihr oblag nach erfolgtem Zuschlag die Amtspflicht zur Ablieferung der Sache an den Kläger als Meistbietenden zu den Versteigerungsbedingungen. Nach § 6 der VO über die Versteigerung durch Gerichtsvollzieher und Justizbehörden im Internet (Internetversteigerungsverordnung) vom 3.2.2010 des Landes Sachsen-Anhalt gilt Folgendes: "Wird die zugeschlagene Sache übersandt, so gilt die Ablieferung mit der Übergabe an die zur Ausführung der Versendung bestimmte Person als bewirkt." Damit ist klargestellt, dass die Verpflichtung der GV allein die Ablieferung der Kaffeemaschine an den Versender beinhaltet. Allerdings reicht nicht jede Ablieferung an den Versender aus. Die Amtspflicht umfasst auch die ordnungsgemäße Verpackung der Kaffeemaschine. Nach § 817 ZPO erfolgt die Übereignung der versteigerten Sache allein durch die GV mit Ablieferung derselben. Ablieferung ist im Grundsatz körperliche Übergabe. Wenn aber grundsätzlich die körperliche Übergabe erfolgen muss und nach § 6 der Internetversteigerungsverordnung Sachsen-Anhalt die Einschränkung erfolgt, dass die Ablieferung an die zur Ausführung der Versendung bestimmte Person ausreichen soll, so muss zumindest sichergestellt sein, dass die Sache bei einem Transport nicht beschädigt wird. Bei der Versendung einer Sache wird daher deren ordnungsgemäße Verpackung für den Versand geschuldet. Diese muss den Bedingungen entsprechen, die der Frachtführer für den Versand aufgestellt hat.

III. Der Praxistipp

Konkreter Fall: Verpackung ordnungsgemäß

Das LG hat nach Beweisaufnahme dann allerdings eine Amtspflichtverletzung verneint. Es war überzeugt, dass sich die GV über die Verpackungsbedingungen informiert und diese bei der Verpackung eingehalten hat.

Grundlage der Versteigerung: § 814 ZPO

Hat der GV eine Sache beim Schuldner gepfändet, so muss diese verwertet und der Erlös an den Gläubiger ausgekehrt werden. Kommt schon dieser Fall selten genug vor – 2010 wurden bei rund 6,4 Mio. Vollstreckungsaufträgen nur knapp 7.200 Versteigerungen durchgeführt, d.h. in nur rund 0,113 % aller Fälle –, zeigen die Vollstreckungen im örtlichen Amtsgericht meist keinen hinreichenden Ertrag. Dies hat der Gesetzgeb...

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