Problem: LG hat Fakten geschaffen

Die Rechtsbeschwerde der Gläubigerin ist nach § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO statthaft und auch im Übrigen zulässig. Insbesondere fehlt es der Gläubigerin nicht deshalb am Rechtsschutzbedürfnis für die Rechtsbeschwerde, weil der Pfändungsbeschluss vom 27.11.2012 infolge Aufhebung durch das Beschwerdegericht nicht mehr wirksam ist. Die Aufhebung des Pfändungsbeschlusses ergibt sich daraus, dass in den Gründen des Beschlusses des LG die "streitgegenständliche Pfändung" ausdrücklich für "unzulässig" erklärt wird. Findet die Zwangsvollstreckung nicht durch den Gerichtsvollzieher, sondern – wie im Streitfall – durch das Gericht als Vollstreckungsorgan statt, so ist der gerichtliche Ausspruch der Unzulässigkeit einer Vollstreckungsmaßnahme wie einer Pfändung – sei es auch durch das Beschwerdegericht – regelmäßig als Aufhebung der Vollstreckungsmaßnahme zu verstehen (vgl. RGZ 84, 200, 203; Stein/Jonas/Münzberg, ZPO, 22. Aufl., § 766 Rn 44).

Aufhebung des Pfändungsbeschlusses sofort wirksam

Die Aufhebung des Pfändungsbeschlusses durch das LG ist ungeachtet der Anfechtbarkeit des letztgenannten Beschlusses sofort wirksam geworden (vgl. BGH, 5.5.2011 – VII ZB 25/10 Rn 4 m.w.N.; BGH NJW-RR 2013, 765). Ein aufgehobener Pfändungsbeschluss lebt bei Wegfall des Aufhebungsbeschlusses nicht wieder auf (vgl. BGH, 11.2.2016 – V ZB 182/14); er kann vom Rechtsmittelgericht auch nicht mehr in seiner ursprünglichen Fassung (mit gleichem Rang) wiederhergestellt werden (BGHZ 160, 197, 204). Etwas anderes gilt nur dann, wenn – was hier nicht geschehen ist – das den Pfändungsbeschluss aufhebende Gericht zugleich die Anordnung trifft, dass der Aufhebungsbeschluss erst mit seiner Rechtskraft wirksam wird (vgl. BGH, 11.2.2016 – V ZB 182/14 Rn 13).

Aber: Rechtsschutzbedürfnis durch neue Vollstreckungsoption

Ist ein Pfändungsbeschluss durch instanzgerichtlichen Beschluss aufgehoben worden und hat das aufhebende Gericht keine Anordnung getroffen, dass der Aufhebungsbeschluss erst mit seiner Rechtskraft wirksam wird, ist das Rechtsschutzbedürfnis für eine Rechtsbeschwerde des Gläubigers gleichwohl gegeben, wenn mit ihr das Ziel verfolgt wird, eine Vollstreckung mit neuem Rang zu ermöglichen (vgl. BGH, 5.5.2011 – VII ZB 25/10 m.w.N.; BGH NJW-RR 2013, 765; BGHZ 160, 197, 204). In diesem Sinne ist die Rechtsbeschwerde der Gläubigerin hinsichtlich des von ihr verfolgten Ziels unbeschadet des auf Wiederherstellung des Beschlusses des AG gerichteten Antrags zu verstehen.

BGH sieht das falsche Rechtsmittel

Den angeblichen Verstoß der Pfändung gegen die vollstreckungsbeschränkende Vereinbarung vom 20.7.1995 kann der Schuldner nicht im Wege der Vollstreckungserinnerung (§ 766 Abs. 1 ZPO) mit Erfolg geltend machen.

Kein Fall des § 775 Nr. 4 ZPO

Zwar ist die Vollstreckungserinnerung (§ 766 Abs. 1 ZPO) als gegen Zwangsvollstreckungsmaßnahmen statthafter Rechtsbehelf begründet, wenn die Zwangsvollstreckung nicht eingestellt wird, obgleich die Voraussetzungen für eine Einstellung nach § 775 Nr. 4 ZPO gegeben sind (vgl. Musielak/Voit/Lackmann, ZPO, 14. Aufl., § 775 Rn 14; Stein/Jonas/Münzberg, ZPO, 22. Aufl., § 775 Rn 35; Schuschke/Walker/Raebel, ZPO, 6. Aufl., § 775 Rn 14; vgl. auch BGH NJW 2016, 876).

Es kann dahinstehen, ob schriftliche Vollstreckungsverträge, mit denen die Vollstreckung in bestimmte Gegenstände ausgenommen wird, den in § 775 Nr. 4 ZPO genannten Urkunden gleichzustellen sind und ob diese Vorschrift auf derartige Vollstreckungsverträge entsprechend anzuwenden ist. Auch wenn dies angenommen wird, kann der Schuldner durch Vorlage einer schriftlichen Vollstreckungsvereinbarung über § 775 Nr. 4 ZPO nicht die Aufhebung eines – wie hier – zuvor erlassenen Pfändungsbeschlusses erreichen. Denn nach § 776 Satz 2 ZPO bleiben getroffene Vollstreckungsmaßnahmen im Fall des § 775 Nr. 4 ZPO einstweilen bestehen. Die Anwendung des § 775 Nr. 4 ZPO führt nur zu einer einstweiligen Einstellung und – bei Bestreiten des Gläubigers – zur Fortsetzung der Zwangsvollstreckung (vgl. BGH NJW-RR 2016, 317).

§ 775 Nr. 4 ZPO führt nur zur einstweiligen Einstellung

Dementsprechend könnte der Schuldner mit einer auf die Nichtbeachtung von § 775 Nr. 4 ZPO gestützten Vollstreckungserinnerung nur eine solche, bloß einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung erreichen. Das ist jedoch nicht das endgültige Rechtsschutzziel der von dem Schuldner hier erhobenen Erinnerung, mit der er ausdrücklich die Aufhebung des Pfändungsbeschlusses begehrt hat. Jedenfalls wäre die Berufung des Schuldners auf einen Verstoß gegen § 775 Nr. 4 ZPO unbehelflich, weil die Gläubigerin durchweg auf der Zwangsvollstreckung trotz der Vollstreckungsvereinbarung im Ehevertrag beharrt hat.

BGH entscheidet Streitfrage zum richtigen Rechtsmittel

Es ist umstritten, ob der Schuldner – über eine etwaige entsprechende Anwendung von § 775 Nr. 4 ZPO hinaus – dem Vollstreckungsorgan im Wege der Vollstreckungserinnerung den Einwand entgegenhalten kann, die Vollstreckung sei wegen Verstoße...

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