LG sieht den GV im Recht

Die sofortige Beschwerde der Gläubigerin ist zulässig, insbesondere ist sie gemäß § 793 ZPO statthaft und wurde form- und fristgerecht eingelegt. Sie hat in der Sache jedoch keinen Erfolg. Zu Recht hat das AG die Erinnerung der Gläubigerin gegen die Weigerung des GV, den PfÜB dem Drittschuldner zuzustellen, zurückgewiesen.

Gläubiger hat das richtige Rechtsmittel gewählt

In formeller Hinsicht ist die Entscheidung des Amtsgerichts nicht zu beanstanden. Zu Recht hat das AG angenommen, dass der von der Gläubigerin eingelegte Rechtsbehelf der Erinnerung nach § 766 Abs. 2 ZPO und nicht der Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach §§ 23 ff. EGGVG statthafter Rechtsbehelf ist.

Die Zustellung des PfÜB an den Drittschuldner nach § 829 Abs. 2 ZPO erfolgt auf Betreiben der Parteien gemäß §§ 191 ff. ZPO. Erst durch die Zustellung des PfÜB an den Drittschuldner ist die Pfändung als bewirkt anzusehen (§ 829 Abs. 3 ZPO). Sofern der GV es ablehnt, im Vollstreckungsverfahren eine Zustellung im Parteibetrieb vorzunehmen oder ordnungsgemäß auszuführen, ist die Erinnerung nach § 766 Abs. 2 ZPO der statthafte Rechtsbehelf (Zöller, ZPO, 32. Aufl. 2018, § 192 Rn 11; MüKo-ZPO/Schmidt/Brinkmann, 5. Aufl. 2016, § 766 Rn 8).

Unerheblich: GV als Zustellungs- oder Vollstreckungsorgan

Inhaltlich hat das Amtsgericht zu Recht die Erinnerung der Gläubigerin zurückgewiesen. Dahinstehen kann insoweit, ob der GV bei der Zustellung des PfÜB an den Drittschuldner als Vollstreckungsorgan oder als reines Zustellungsorgan tätig geworden wäre und ob sich seine Prüfpflicht bei Tätigwerden als Vollstreckungsorgan auf die Prozessfähigkeit des Drittschuldners erstreckt hätte.

Denn in jedem Fall wurde der GV in seiner amtlichen Funktion als Organ der Rechtspflege mit der Zustellung des PfÜB betraut. Auch wenn ihm keine Prüfpflicht hinsichtlich der Geschäfts- bzw. Prozessfähigkeit des Drittschuldners obliegen würde, so kann dem GV als Organ der Rechtspflege gleichwohl nicht zugemutet werden, sehenden Auges eine gemäß § 170 Abs. 1 ZPO unzulässige Zustellung des PfÜB an einen geschäftsunfähigen und damit nicht prozessfähigen Drittschuldner auszuführen.

Geschäftsunfähigkeit ist gegeben

Zutreffend ist zwar, dass auch der unter Betreuung stehende Volljährige grundsätzlich voll geschäftsfähig bleibt, sofern – wie hier – die Betreuung nicht mit einem Einwilligungsvorbehalt verbunden ist. Nichtsdestotrotz können auch bei einem Betreuten, dessen Betreuung nicht mit einem Einwilligungsvorbehalt verbunden ist, im Einzelfall die Voraussetzungen des § 104 Nr. 2 BGB gegeben sein.

Konkrete Anhaltspunkte im Einzelfall für Geschäftsunfähigkeit

Vorliegend ergaben sich für den GV hinreichende Anhaltspunkte, an der Geschäftsfähigkeit des Drittschuldners zu zweifeln. Nach Angaben des Gerichtsvollziehers machte der Drittschuldner, als er ihn zum Zwecke der Zustellung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses aufsuchte, einen verwirrten Eindruck. Auf Fragen, wer seine Betreuerin sei, sei er verwundert gewesen und habe mitgeteilt, dass er gar keine Betreuerin habe. Dem Drittschuldner sei nicht bewusst gewesen, was ein GV sei, geschweige denn, was rechtlich eine Zustellung zu bedeuten habe.

GV hat eine Handlungspflicht

Auch wenn der GV möglicherweise nicht die fachliche Kompetenz hat, eine Geschäftsunfähigkeit des Drittschuldners positiv festzustellen, so berechtigten ihn als Organ der Rechtspflege die festgestellten und begründeten Zweifel an der Geschäftsfähigkeit des Drittschuldners, von der beantragten Zustellung des PfÜB an den Drittschuldner abzusehen, die Gläubigerin auf die bestehenden Zweifel hinzuweisen und der Gläubigerin damit die Möglichkeit zu geben, die Zustellungsvoraussetzungen in rechtsklarer Weise herzustellen.

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