Nicht zu schnell aufgeben

Ist der Schuldner erwerbstätig, liegt die Pfändung von Arbeitseinkommen natürlich nahe. Teilt der Arbeitgeber dann als Drittschuldner im Rahmen der nach § 840 ZPO abzugebenden Erklärung mit, dass der Schuldner über kein pfändbares Einkommen verfügt, darf sich der Gläubiger aber nicht sofort geschlagen geben. Vielmehr ist zu untersuchen, ob der Arbeitgeber den Nettolohn und das unpfändbare Einkommen richtig bestimmt hat und ob sich der Arbeitnehmer nicht durch eigenes Tun oder im Zusammenwirken mit dem Arbeitgeber der Pfändung entzieht.

Lohnbescheinigung konsequent herausverlangen

Ist die Pfändung des Arbeitslohnes erfolgt, ist es wesentlich, zunächst die Lohnabrechnung herauszuverlangen, um hierauf weitere Ermittlungsmaßnahmen zu stützen. Nicht umstritten ist, dass der Schuldner selbst nach § 836 Abs. 3 ZPO zur Herausgabe der Lohnabrechnung verpflichtet ist (hierzu die Arbeitshilfe FoVo 2010, 205). Umstritten ist dagegen die Frage, ob auch der Drittschuldner zur Herausgabe verpflichtet ist. Verschiedene Gerichte haben hier bereits im Sinne der Gläubiger entschieden (AG Schwelm JurBüro 2010, 608; LG Koblenz FoVo 2010, 33 und JurBüro 1996, 663; LG Düsseldorf JurBüro 2008, 268; OLG Hamm DGVZ 1994, 188).

Erster Schritt: Richtige Berechnung des unpfändbaren Einkommens prüfen

Als erste Maßnahme nach dem Erhalt der Lohnbescheinigung muss geprüft werden, ob der Arbeitgeber den unpfändbaren Teil des Arbeitseinkommens überhaupt zutreffend bestimmt hat. So zeigen Überprüfungen, dass häufig der Auszahlungsbetrag der Bestimmung zugrunde gelegt wird, nicht aber das u.U. höhere Nettoeinkommen. Auch werden mehr als die tatsächlich vorhandenen unterhaltsberechtigten Personen berücksichtigt. Letztlich ist im Zusammenhang mit der Vorlage der Lohnabrechnung zu prüfen, ob berücksichtigte unterhaltsberechtigte Personen über eigenes Einkommen verfügen, so dass ein Antrag auf deren Nichtberücksichtigung nach § 850c Abs. 4 ZPO gestellt werden kann (siehe hierzu die Arbeitshilfe in FoVo 2010, 146).

Zweiter Schritt: Anhaltspunkte für verschleiertes Einkommen suchen

Im zweiten Schritt ist zu prüfen, ob Anhaltspunkte für verschleiertes oder verschobenes Einkommen im Sinne des § 850h ZPO bestehen (hierzu etwa Neugebauer, Die Pfändung von verschleiertem Einkommen, FoVo 2008, 69). Der erste Blick muss dabei der Lohnsteuerkarte gelten. Der BGH hat nämlich schon 2005 entschieden, dass der Schuldner, der vor der Pfändung eine ungünstigere Lohnsteuerklasse in Gläubigerbenachteiligungsabsicht gewählt hat, bei der Berechnung des pfändungsfreien Betrags schon im Jahre der Pfändung so behandelt werden kann, als sei sein Arbeitseinkommen gemäß der günstigeren Lohnsteuerklasse zu versteuern. Wählt der Schuldner nach der Pfändung eine ungünstigere Lohnsteuerklasse oder behält er diese für das folgende Kalenderjahr bei, so gilt dies auch ohne Gläubigerbenachteiligungsabsicht schon dann, wenn für diese Wahl objektiv kein sachlich rechtfertigender Grund gegeben ist (BGH InVo 2006, 118 = NJW-RR 2006, 569).

Klären: Ausbildung – Tätigkeitsumfang – Einkommen

Im Offenbarungsverfahren muss der Schuldner angeben, welche Ausbildung er genossen hat, welche konkrete Tätigkeit er derzeit in welchem zeitlichen Umfang ausübt und wie hoch sein Einkommen ist. Fehlt es an entsprechenden Angaben, muss ein vorliegendes Vermögensverzeichnis ggf. nachgebessert werden. Ergänzende Informationen, etwa aus Selbstauskünften des Schuldners in der Vergangenheit oder auch die Angabe der tatsächlichen Stundenzahl auf der Lohnabrechnung sind ebenso zu berücksichtigen.

Prüfen: Angemessenheit des Einkommens

Der Gläubiger muss auf dieser Grundlage prüfen, ob das Einkommen angemessen ist. Dafür kann er auf allgemeinverbindliche Tarifverträge, auf sonstige Tarifverträge als Indiz oder auch auf Auskünfte der Handwerkskammern oder der Industrie- und Handelskammern zurückgreifen. Ergibt sich hier eine wesentliche Abweichung, liegt ein Fall der Lohnverschleierung vor.

Beachten: Prozessrecht

Es wird selten vorkommen, dass Schuldner und Drittschuldner dem Vorwurf der Lohnverschiebung oder Lohnverschleierung nach § 850h ZPO freiwillig Rechnung tragen. Insoweit ist die Einziehungsklage meist unvermeidlich. Diese ist vor dem Arbeitsgericht zu erheben. Die Prozessführungsbefugnis ergibt sich dabei aus dem Pfändungs- und Überweisungsbeschluss. Wie die Entscheidung des LAG Schleswig-Holstein zeigt, ist dabei die allein beim Gläubiger als Kläger liegende Darlegungs- und Beweislast zu beachten.

 

Checkliste

Der Gläubiger muss darlegen und für den naheliegenden Fall des Bestreitens auch beweisen,

dass der Schuldner überhaupt einer abhängigen Beschäftigung nachgeht (Beweis: Vermögensverzeichnis oder Drittschuldnerauskunft);
welcher Art die konkret ausgeübte Tätigkeit ist (Beweis: Vermögensverzeichnis oder Drittschuldnerauskunft);
in welchem zeitlichen Umfang der Schuldner der Tätigkeit nachgeht (Beweis: Vermögensverzeichnis, Drittschuldnerauskunft oder Lohnabrechnung);
welches Einkommen d...

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