Rz. 123

Das finnische Aktienrecht enthält keine Bestimmungen über familienrechtliche Sonderregelungen. Private Aktiengesellschaften werden aber sehr häufig als Familienunternehmen geführt. Für sie gilt dasselbe wie für andere Gesellschaften: Die Aktien sind vererbbares Privatvermögen.

a) Verfahren beim Erbfall

 

Rz. 124

Das finnische Erbstatut ist nach PK 26:2 anwendbar, wenn der Erblasser seinen letzten Wohnsitz in Finnland hatte. Das Verfahren beim Erbfall ist in PK 18. Abschnitt ff. geregelt. Beim Erbfall bilden die gesetzlichen und/oder die testamentarischen Erben und der überlebende Ehegatte den Nachlass (kuolinpesä). Die Beteiligten müssen das Nachlassvermögen gemeinschaftlich verwalten, wenn eine gesonderte Nachlassverwaltung nicht angeordnet worden ist. Auf Verlangen eines Beteiligten hat das Nachlassgericht einen Nachlassverwalter (pesänselvittäjä) zu bestellen. Im Testament kann ein Testamentsvollstrecker bestimmt werden.

 

Rz. 125

Die Nachlassaufstellung (perunkirjoitus) ist innerhalb von drei Monaten nach dem Erbfall durchzuführen (PK 20:1). Der Nachlassbeteiligte, der sich um die Verwaltung des Nachlasses kümmert, der gerichtlich bestellte Nachlassverwalter bzw. der Testamentsvollstrecker ist verpflichtet, den Zeitpunkt und Ort des Nachlassinventars sowie zwei Personen zu bestimmen, die die Nachlassaufstellung mit ihrer Unterschrift bestätigen sollen (PK 20:2). Die Durchführung der Nachlassaufstellung ist gesetzlich sehr detailliert in PK 20:3–7 geregelt. Die Nachlassaufstellung muss gem. PK 20:8 der Bezirkssteuerbehörde abgegeben werden.

 

Rz. 126

Nach der Nachlassaufstellung ist jeder Beteiligte befugt, die Teilung des Nachlasses zu verlangen. Ist ein überlebender Ehegatte vorhanden, so ist die Eheauseinandersetzung vor der Nachlassaufteilung durchzuführen (PK 23:1). Der Nachlass kann unter den Beteiligten nach Vereinbarung verteilt werden. Das Gericht kann jedoch auch einen Vollzieher für die Nachlassaufteilung bestellen (PK 23:3–13). Die Beteiligten können aber auch vereinbaren, dass sie den Nachlass gemeinsam verwalten (PK 24. Abschnitt). Die sich im Nachlass befindenden Aktien können also entweder zwischen den Erben und dem überlebenden Ehegatten verteilt werden, bei der Teilung nur einem der Erben zugeteilt werden oder im gemeinsam verwalteten Nachlass verbleiben.

b) Sonderregeln für die Verbriefung

 

Rz. 127

Bei der Übertragung der Aktien durch Erbfolge oder eheliche Auseinandersetzung müssen folgende Regeln über die Verbriefung der Übertragung berücksichtigt werden: Der Vollzieher der Auseinandersetzung der Ehe oder der Erbschaft trägt in die Aktienurkunde ein, an wen die Aktie übergeben worden ist. Haben die Parteien die Auseinandersetzung selbst durchgeführt, wird die Übertragung der Aktie in der Praxis durch eine Eintragung der Zeugen der Auseinandersetzung in die Aktienurkunde nachgewiesen. Wird die Aktie direkt durch den Tod des Gesellschafters ohne eine Erbauseinandersetzung an den einzigen Erben oder aufgrund eines Testaments an den durch das Testament eingesetzten Erben übertragen, können sowohl der Vollzieher der Auseinandersetzung als auch die Personen, die die Aufnahme der Nachlassaufstellung durchführen, in die Aktienurkunde eine Eintragung über die Übertragung der Aktie an den neuen Eigentümer vornehmen.[35]

[35] Kyläkallio/Iirola/Kyläkallio, Bd. I, S. 277 f.

c) Einlösungsklausel

 

Rz. 128

Die Einlösungsklausel (siehe Rdn 111 ff.) kann auch eine Bestimmung enthalten, dass die anderen Aktionäre ein Einlösungsrecht z.B. im Falle der Übertragung der Aktie durch Erbfolge haben. Dann muss die Klausel daraufhin ausgelegt werden, ob auch Grenzfälle, z.B. die Erbauseinandersetzung, unter den Anwendungsbereich der Klausel fallen. Der Oberste Finnische Gerichtshof (Korkein oikeus, KKO) hat u.a. über die folgende Situation entschieden: Nach der Satzung entstand das Einlösungsrecht, "wenn die Aktie infolge eines Rechts zum Zugewinnausgleich, einer Erbschaft, eines Testaments oder eines gerichtlichen Aufgebotsverfahrens durch eine Person erworben wird, die der Gesellschaft nicht angehört". Die Erben des verstorbenen Gesellschafters wurden vom Gericht als "der Gesellschaft nicht angehörende Personen" befunden. Der Nachlass war jedoch nicht geteilt worden. Vielmehr hatten die Erben die Aktien aus dem Nachlass an einen Aktionär der Gesellschaft veräußert. Das Gericht befand, dass die Einlösungsklausel in diesem Fall nicht anzuwenden war. Ein Einlösungsrecht der übrigen Gesellschafter war nicht entstanden.[36]

[36] KKO 1983 II 119; Norri, S. 427.

d) Nachfolgeklausel

 

Rz. 129

Dadurch, dass die Aktien in Finnland als Wertpapiere grundsätzlich frei veräußert und vererbt werden können, sind Nachfolgeklauseln in der Praxis sehr selten. Höchstrichterliche Rechtsprechung hierzu existiert nicht.

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