Entscheidungsstichwort (Thema)

Haftung einer Bank bei Überweisung von Guthaben des Erblassers an den im Ausland ansässigen Erben

 

Leitsatz (amtlich)

Überweist eine Bank Guthaben des Erblassers an den im Ausland wohnhaften Erben, so stellt sie damit einem Berechtigten, der außerhalb des Geltungsbereichs des ErbStG wohnt, zur Verfügung (2. Alternative des § 20 Abs. 6 Satz 2 ErbStG). Nimmt sie die Überweisung vor, ohne dass eine Unbedenklichkeitsbescheinigung des für die Erbschaftsteuer zuständigen Finanzamts vorliegt, so handelt sie fahrlässig.

Überweist eine Bank auf Anweisung des Erben Guthaben des Erblassers ins Ausland, so bringt sie dadurch kein Erblasservermögen in ein Gebiet außerhalb des Geltungsbereichs des ErbStG. Die dadurch entstehende Haftungslücke, wenn der Erbe seinen Wohnsitz noch vor Entrichtung der Steuerschuld ins Ausland verlagert, kann nicht durch Analogie geschlossen werden.

Ob der Erbschaftsteuerbescheid dem Erben wirksam bekannt gegeben wurde, ist für die Haftung nach § 20 Abs. 6 Satz 2 ErbStG irrelevant.

Schlägt eine Zustellung im Ausland fehl, weil der Empfänger die Post beim Konsulat nicht abgeholt hat, so ist eine öffentliche Zustellung des Steuerbescheides dann nicht zulässig, wenn – ungeachtet von dadurch anfallenden Kosten - die Möglichkeit der förmlichen Zustellung durch ein privates Unternehmen besteht.

 

Normenkette

ErbStG § 20 Abs. 6 S. 2; AO §§ 191 Abs. 1 S. 1, 5, 122 Abs. 5; VwZG § 15 Abs. 1

 

Tatbestand

Strittig ist, ob die Klägerin zu Recht nach § 20 Abs. 6 S. 2 ErbStG in Haftung genommen wurde.

Der am 8. Dezember 2001 verstorbene Erblasser unterhielt bei der Klägerin, einer Sparkasse, mehrere Konten, die am Todestag laut Anzeige vom 13. Dezember 2001 (Bl. 1 ErbSt-A) ein Guthaben inklusive Zinsen von insgesamt 339.374 DM aufwiesen. Den Grundbesitzwert der beiden dem Erblasser gehörenden Grundstücke stellte das Lagefinanzamt im Bescheid jeweils vom 31. März 2004 zum Todestag auf einen Betrag von 267.450,65 € (= 523.000 DM; Bl. 29/30 ErbSt-A) bzw. 42.437,22 € (= 83.000 DM; Bl. 31 ErbSt-A) gesondert fest. Außerdem war der Erblasser Inhaber von Fondsanteilen mit einem Gesamtwert zum Todestag in Höhe von 50.939,54 € (= 99.629 DM; Bl. 15 ErbSt-A).

Ausweislich des Erbscheins des Amtsgerichtes M vom 19. April 2002 (Bl. 11 ErbSt-A) wurde der Erblasser von Frau U. K., seiner Stieftochter (Bl. 9 ErbSt-A), als Alleinerbin beerbt. Die Anschrift der Erbin war im Erbschein mit "S-Straße ..., M" angegeben. Diese Anschrift war nach den Meldedaten des Einwohnermeldeamtes in der Zeit vom 4. April 2001 bis zum 15. Mai 2002 die Hauptwohnung der Erbin (Bl. 163 PA).

Da die Erbin, die nach den Feststellungen des Beklagten seit dem 15. Mai 2002 nach R/USA verzogen war (Bl. 202 ErbSt-A), trotz wiederholter Aufforderung im Jahr 2002 (Bl. 19/20 ErbSt-A) keine Erbschaftsteuererklärung abgab, erließ der Beklagte am 7. September 2004 einen Erbschaftsteuerbescheid unter dem Vorbehalt der Nachprüfung mit geschätzten Besteuerungsgrundlagen. Darin ging er im Wege der Schätzung davon aus, dass der Erblasser über Bargeld in Höhe von 10.000 DM verfügte und er der Erbin insgesamt 400.000 DM geschenkt hatte. Unter Berücksichtigung eines persönlichen Freibetrags in Höhe von 400.000 DM setzte er - ausgehend von einem steuerpflichtigen Erwerb in Höhe von abgerundet 1.002.500 DM - die Erbschaftsteuer gegenüber der Erbin auf 77.332,90 € fest (= 151.250 DM; Bl. 33/35 ErbSt-A). Den Erbschaftsteuerbescheid versandte der Beklagte am 7. September 2004 an die Erbin zunächst mit einfachem Brief (Bl. 37 ErbSt-A). Nachdem Zahlungsaufforderungsschreiben als unzustellbar zurückkamen (Bl. 38-41 ErbSt-A), erließ der Beklagte unter dem Datum vom 6. Mai 2005 einen inhaltsgleichen Erbschaftsteuerbescheid (Bl. 58/59 ErbSt-A) und versuchte diesen zweiten Bescheid über das Generalkonsulat der Bundesrepublik Deutschland an die Erbin zuzustellen. Nach Angaben des Generalkonsulats scheiterte die Zustellung daran, dass die Empfängerin die Postsendung nicht abholte. Zugleich wies das Generalkonsulat den Beklagten darauf hin, dass eine förmliche Zustellung über ein namentlich bezeichnetes Privatunternehmen bewirkt werden könne (Bl. 67-71 ErbSt-A). Von dieser Zustellmöglichkeit über ein Privatunternehmen sah der Beklagte nach Rücksprache mit dem AO Referat der OFD aus Kostengründen ab (Bl. 75 ErbSt-A). Stattdessen stellte er den Erbschaftsteuerbescheid unter dem Datum vom 14. Dezember 2005 öffentlich zu (Bl. 78-85 ErbSt-A).

Eine Zahlung der Erbschaftsteuer durch die Erbin erfolgte nicht. Der Beklagte versuchte daher, die Erbschaftsteuer durch eine Pfändungs- und Einziehungsverfügung gegenüber der Klägerin beizutreiben (Bl. 86 ErbSt-A). Da die Konten des Erblassers bei der Klägerin zwischenzeitlich abgewickelt waren (Bl. 42 ErbSt-A), nahm der Beklagte nunmehr die Klägerin - nach vorheriger Anhörung (Bl. 47/48 ErbSt-A) - mit Bescheid vom 31. Mai 2006 (Bl. 89-91 ErbSt-A) für die gesamte Erbschaftsteuerschuld in Höhe von 77.332,90 € gestützt auf § 191 AO i.V.m.

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