Entscheidungsstichwort (Thema)

Tarifbegünstigte Teilpraxisveräußerung auch bei Berufsbild eines Anwaltsnotars denkbar

 

Leitsatz (redaktionell)

Ein Anwaltsnotar kann seinen Anwaltssozietätsanteil - bei entsprechender organisatorischer Trennung und Verpflichtung zur künftigen Nichtausübung der Anwaltstätigkeit - tarifbegünstigt an seinen Sozius veräußern, da Notar- und Anwaltspraxis nach Gegenstand der Tätigkeit und Mandantenkreis selbständige Praxisteile darstellen.

 

Normenkette

EStG § 18 Abs. 3 S. 1, § 34 Abs. 1, 2 Nr. 1; BNotO § 3 Abs. 2, § 9 Abs. 1

 

Tatbestand

A und B bildeten als Rechtsanwälte und Notare eine Sozietät in der Rechtsform einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts. An der Sozietät waren sie je zur Hälfte beteiligt. Unter dem 17.6.1996 vereinbarten sie im wesentlichen folgendes:

§ 1

A verkauft und überträgt seinen sich auf die Anwaltstätigkeit beziehenden Sozietätsanteil an B, der die Übertragung annimmt. Der Sozietätsanteil des Veräußerers wächst dem Anteil des Erwerbers an. Die Sozietät wird dadurch nicht aufgelöst. Der Veräußerer bleibt als Notar Sozius des Erwerbers in dem bisher bestehenden Beteiligungsverhältnis von 50 %.

§ 2

...

Der Veräußerer überträgt dem dies annehmenden Erwerber sowohl sein Alleineigentum als auch seinen hälftigen Anteil am gesamten Inventar mit Ausnahme der im Zimmer des Veräußerers befindlichen Gemälde.

§ 3

Der Anwaltssozietätsanteil wird so übertragen, wie er am 31.5.1996 besteht. Er erfaßt sämtliche von dem Veräußerer bisher bearbeiteten Sachen, sodaß der Anwaltspraxisanteil mit seinen wesentlichen Grundlagen und unter Aufrechterhaltung des geschäftlichen Organismus auf den Erwerber übergeht. Da sämtliche Mandate nicht dem Veräußerer persönlich, sondern der Sozietät erteilt worden sind, erfaßt die Übertragung nur die Weiterbearbeitung dieser Geschäftsvorfälle. Sämtliche nach dem 31.5.1996 erteilten Anwaltsmandate fallen allein dem Erwerber zu, dem auch die aus der Bearbeitung entstehenden Gebühren allein zustehen.

§ 4

Der Kaufpreis beträgt 250.000 DM zuzüglich einer evtl. zu zahlenden Mehrwertsteuer.

...

Im Kaufpreis sind die Gebühren enthalten, die bei der Fortführung der vorhandenen Mandate noch entstehen und die dem Erwerber allein zufließen. Der Kaufpreis trägt auch der Tatsache Rechnung, daß es sich um eine Praxis handelt, die seit 1914 in Essen eingeführt ist.

...

§ 5

Die mit den Angestellten geschlossenen ungekündigten Arbeitsverträge werden von dem Erwerber allein fortgeführt mit Ausnahme des mit der Notariatssekretärin bestehendes Vertrags, der von beiden Vertragspartnern fortgeführt wird.

...

§ 6

Der Erwerber verpflichtet sich, den Veräußerer von allen Ansprüchen freizustellen, die aus der Weiterführung der bisher vom Veräußerer bearbeiteten Sachen und aus der Bearbeitung der nach dem 31.5.1996 neu erteilten Anwaltsmandate entstehen. Das gleiche gilt auch hinsichtlich aller Ansprüche aus dem Betrieb der Anwaltspraxis, wie z.B. aus dem Mietverhältnis.

§ 8

Der Veräußerer verpflichtet sich, zukünftig keine Anwaltstätigkeit auf eigene Kosten auszuüben.

Das Finanzamt erhöhte den für A im Rahmen der GbR erklärten laufenden Gewinn 1996 um den Kaufpreis für den „Anwaltssozietätsanteil” in Höhe von 250.000 DM sowie darauf entfallende Umsatzsteuer in Höhe von 37.500 DM - also insgesamt um 287.500 DM. Die Absetzungen für Abnutzung des Praxiswerts setzte es bei B mit 17.969 DM an (= 287.500 DM : 8 Jahre x 1/2). Dementsprechend stellte das Finanzamt mit Bescheid vom 27.8.1999 den Gewinn für die GbR - Anwalts- und Notariatspraxis - insgesamt auf 358.890 DM gesondert und einheitlich fest - den Gewinn rechnete es mit 329.770 DM A und mit 29.120 DM B zu. Außerdem erhöhte das Finanzamt die für die GbR 1996 erklärte Umsatzsteuer um 37.500 DM und setzte sie mit Bescheid vom 31.3.1998 auf insgesamt 90.225 DM fest.

Der Einspruch blieb ohne Erfolg. Es könne hier - so die Ausführungen des Finanzamts in den Einspruchsentscheidungen - nicht von der Aufgabe eines selbständigen Teilbetriebs ausgegangen werden. Ein selbständiger Betrieb sei nur gegeben, wenn ein Steuerpflichtiger mehrere selbständige, wesensmäßig verschiedene Tätigkeiten mit verschiedenen Kundenkreisen ausübe. Werde davon eine veräußert, stelle dies eine Betriebsveräußerung im Ganzen dar. Bei dem Berufsbild eines Anwaltsnotars könne eine wesensmäßig verschiedene Tätigkeit jeweils als Rechtsanwalt und Notar kaum angenommen werden - ein eigener Kundenstamm für jeden Teilbereich getrennt erscheine ausgeschlossen. Anwaltliche und notarielle Tätigkeit seinen regelmäßig miteinander verwoben. Das folge vor allem aus § 3 Abs. 2 BNotO. Danach sei eine Tätigkeit als Anwaltsnotar eben nicht ohne Zulassung als Anwalt möglich.

Hiergegen richtet sich die laut Klageschrift vom 2.9.1999 von der GbR erhobene Klage. Die Vollmachten sind von A und B für Verfahren der GbR wegen Umsatzsteuer 1996 sowie gesonderter und einheitlicher Feststellung der Einkünfte 1996 erteilt. Mit Schriftsatz vom 21.12.1999 ist erklärt worden, im Rubrum sei die Part...

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