Vor allem unter Hinweis auf die Rechtsprechung des BVerfG und des BGH zur Sittenwidrigkeit von Eheverträgen wird diskutiert, ob mitbeurkundete Erb- oder Pflichtteilsverzichte auch einer Inhalts- und Ausübungskontrolle unterliegen. Zu unterscheiden sind die isolierte Bewertung des Verzichts und die Möglichkeit der Infektion durch einen sittenwidrigen Ehevertrag.

Für sich gesehen ist ein Verzicht auf das Erbrecht grundsätzlich zulässig. Von Rechts wegen wird niemand gezwungen, Erbe zu werden. Dies folgt bereits aus der nach dem Erbfall bestehenden Möglichkeit der Ausschlagung. Für Verzichte auf Pflichtteilsansprüche soll dies mit Blick auf die von der Rechtsprechung entwickelte Figur der negativen Erbfreiheit nach bislang herrschender Meinung entsprechend gelten.[24] Eine etwaige Unterhalts- und Versorgungsfunktion des Pflichtteils gegenüber Ehegatten über §§ 1586b, 1933 S. 3 BGB ist bei isolierten Verzichten nachrangig. Erb- und Pflichtteilsrechte gehören nicht zum Kernbereich des Scheidungsfolgenrechts.[25]

Sind aber bereits die im Vertrag auch beurkundeten familienrechtlichen Regelungen sittenwidrig, ist eine Gesamtschau geboten.[26] In diesem Fall ist die Unwirksamkeit der Gesamtvereinbarung nach § 138 Abs. 1 BGB zu prüfen. Bei einer evident einseitigen und zudem die Unerfahrenheit des Partners ausnutzenden Lastenteilung droht, dass die Sittenwidrigkeit auch den Erb- und Pflichtteilsverzicht infiziert.[27] Dies mag zwar nur in Einzelfällen anzunehmen sein,[28] bringt aber zusätzliche Risiken für die Beteiligten und deren Berater mit sich. Für die Gestaltung gilt Folgendes: Werden die familien- und erbrechtlichen Regelungen von einem einheitlichen Willen getragen, bietet die körperliche Trennung keinen echten Schutz.[29] Vor allem bei Scheidungsfolgenvereinbarungen kann aber klargestellt werden, dass der Verzicht keine Auswirkungen auf nachehelichen Unterhalt über § 1586b BGB haben soll.[30] Weiter ist zu anzuraten, mit individuellen salvatorischen Klauseln zu arbeiten.[31] Eine spätere Anpassung von Erb- und Pflichtteilsverzichten im Rahmen der Ausübungskontrolle über § 242 BGB scheidet dagegen wohl grundsätzlich aus.[32] Der hohe Wagnischarakter eines Erb- und Pflichtteilsverzichts ist prägend.[33] Bis zum Eintritt des Erbfalls ist immer unklar, ob und in welchem Umfang Nachlasswerte vorhanden sein werden.

[24] Z.B. BGH NJW 2011, 1586, 1587, wobei das Urteil trotz offener Begründung einen behinderten Leistungsempfänger betraf; Ivo, DNotZ 2011, 387 ff.; Dreher/Gönner, NJW 2011, 1761, 1766; Kleensang, ZErb 2011, 121, 124; Herzog, FF 2013, 105, 109; einschränkend z.B. OLG München ZEV 2006, 313 ff., in einem Fall, bei dem erhebliches Vermögen bei der Abfindungsberechnung verschwiegen wurde; Dutta, AcP Bd. 209, 760 ff.; Armbrüster, ZEV 2010, 88 ff.
[25] Bengel, ZEV 2006, 192, 196.
[26] Noch offen hierzu: OLG Düsseldorf ZEV 2013, 498, 499.
[27] LG Ravensburg ZEV 2006, 598, 599; Keim, RNotZ 2013, 411, 417; ders., Anm. zu OLG Düsseldorf MittBayNot 2014, 172, 174; Kapfer, MittBayNot 2006, 385, 389; differenzierend Kühle, ZErb 2013, 221, 224 f., der die Möglichkeit einer Infektion allein mit Blick auf unterhaltsrechtliche Fernwirkungen annimmt.
[28] Keim, Anm. zu OLG Düsseldorf MittBayNot 2014, 172, 174.
[29] Bengel, ZEV 2006, 192, 196.
[30] Münch, ZEV 2008, 571, 578; Keim, RNotZ 2013, 411, 418.
[31] Bengel, ZEV 2006, 192, 197; Kapfer, MittBayNot 2006, 385, 389.
[32] Bengel, ZEV 2006, 192, 196; Kapfer, MittBayNot 2006, 385, 388 f.
[33] Münch, ZEV 2008, 571, 577; Kapfer, MittBayNot 2006, 385, 388 f.

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