Die zitierten Entscheidungen des Bundesgerichtshofes betrafen eine Zahnarztpraxis und eine Steuerberaterpraxis. Sie lassen sich in ihrem Aussagegehalt ohne Weiteres auf weitere Formen von freiberuflichen Praxen übertragen. Generell ist nach diesen Entscheidungen, die insoweit Zustimmung verdienen, anzunehmen, dass eine freiberufliche Praxis über den Wert des Anlagevermögens hinaus einen Goodwill haben kann, der als wirtschaftlicher Wert zusätzlich in Ansatz gebracht werden muss. Worin er besteht und wie er zu bewerten ist, ist das schwierige Problem. Dieses Problem wird nicht endgültig und für alle Fälle überzeugend zu lösen sein. Man kann den Goodwill nicht sehen und nicht anfassen. Er ist eine gedachte Größe, und er ist flüchtig. Seine Ermittlung gleicht, wie es in einer Schrift von 1995 bezeichnet wurde, einer "Fortsetzung der Klassenlotterie mit anderen Mitteln".[2] Dem wirklichen Wert dieser Position wird man sich nur annähern, ihn nie absolut erfassen können. Deshalb wird voraussichtlich die Diskussion darüber auch weitergehen.

Die freiberufliche Praxis hat zunächst einmal einen Sachwert. Das ist der Wert der Anlage- und Umlaufgüter, die für den Betrieb verwendet werden. Bei der Bewertung gewerblicher Unternehmen gilt die Sachwertmethode generell als ungeeignet, um den Unternehmenswert festzustellen. Trotzdem hat sie Bedeutung und soll zum Verständnis hier kurz erläutert werden. Außerdem ist bei der modifizierten Ertragswertmethode, die der BGH für das freiberufliche Unternehmen für richtig hält, sowie bei der Umsatzmethode der Sachwert neben dem Goodwill ohnehin gesondert zu ermitteln.

Der Sachwert lässt sich in der Regel recht einfach feststellen. Zwar wird für eine freiberufliche Praxis normalerweise keine Bilanz erstellt. Es gibt also keine Bilanzposition Anlagevermögen. Um die Abschreibungen ermitteln zu können, muss aber ein Anlageverzeichnis geführt werden. Darin sind alle Wirtschaftsgüter, die dem Betrieb dienen, mit ihren Anschaffungspreisen aufgeführt. Die Anschaffungspreise werden um die regelmäßige Abschreibung verringert. Die Abschreibung legt eine typisierte aber realistische Gebrauchsdauer der einzelnen Gegenstände zugrunde, so dass die lineare Abschreibung den Wertverlust der einzelnen Wirtschaftsgüter einigermaßen realistisch wiedergibt.

In der Feststellung des wirklichen Werts des sachlichen Vermögens liegt deshalb kein großes Problem. In der Mehrzahl der freiberuflichen Praxen ist dieses Vermögen auch nicht sehr hoch, ist also auch nicht Gegenstand ausgedehnten Streits.

Der eigentliche Wert einer Praxis liegt nicht in ihrer zumeist unbeutenden Einrichtung. Sie kann aber einen wirklichen Wert haben, der weit über den Sachwert, den Wert der Anlagegüter, hinausgeht. Es ist der Praxiswert, der Firmenwert, der ideelle Wert, der Goodwill oder wie immer man das bezeichnen möchte.

Dass es einen solchen Wert gibt, wird durch ziemlich einfache Überlegungen deutlich. Wie er zu bewerten ist, wird dadurch nicht einfacher.

Eine freiberufliche Praxis lässt sich verkaufen. Das ist bei Rechtsanwälten weniger üblich als bei Ärzten. Bei niedergelassenen Ärzten ist es aber die Regel, dass sie ihre Praxis beim Eintritt in den Ruhestand einem Nachfolger übergeben und dafür einen Preis bekommen. Der Preis ist dabei nicht durch das meistens völlig verschlissene Praxismobiliar veranlasst, sondern durch die Hoffnung des Nachfolgers, am angestammten Praxissitz von Anfang an besseren wirtschaftlichen Erfolg zu haben als bei einem selbstständigen Neuanfang.

Eine weitere Überlegung:

Freiberufler, seien es Ärzte, Rechtsanwälte oder Steuerberater, verdienen nach langjähriger Berufstätigkeit häufig sehr viel mehr, als sie zu Beginn ihrer Tätigkeit verdient haben, ohne dass sich die Menge ihres Arbeitseinsatzes verändert hätte. Das mag daran liegen, dass Ihnen die Arbeit aufgrund langer Praxis leichter von der Hand geht. Das liegt aber vor allem daran, dass erfahrene Praxisinhaber mehr Kundennachfrage haben. Sie können entweder ihre Arbeit auf nunmehr besser bezahlte Aufträge konzentrieren, oder sie können mit den zusätzlich eingeworbenen Aufträgen Hilfspersonal beschäftigen, an dem sie den Mehrwert verdienen.

Im Sinne des Zugewinnausgleichsbedarfs bedeutet das: Die zukünftigen Erträge des Praxisinhabers werden nur zum Teil von seiner zukünftigen Arbeit abhängen. Sie sind zu einem anderen Teil Frucht schon geleisteter Arbeit aus der Vergangenheit. Ob die Frucht vergangener Arbeit auf einem Konto verwahrt wird oder Betriebskapital und Grundlage für zukünftige Einkünfte ist, ist für den Zugewinnausgleich egal. Diese Früchte sind jedenfalls mit dem anderen Ehegatten zu teilen. Wie ermittelt man diesen Wert nun?

Die in der Praxis enthaltenen zukünftigen Gewinnchancen sind der immaterielle Wert und nach allgemeiner Auffassung Ansatzpunkt für die Bewertung. Hier gibt es zwei Methoden, die Umsatzmethode und die Ertragswertmethode. Auch wenn man vielfach lesen kann, dass der einen oder der anderen Methode der Vorzug zu geben sei, hab...

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