Inge Saathoff

Seit dem 1.9.2009 gilt in Sorge- und Umgangssachen das sogenannte Vorrang- und Beschleunigungsgebot des § 155 FamFG. Für den im Familienrecht tätigen Rechtsanwalt ist dies bereits ein alter Hut. Spätestens einen Monat nach Beginn des Verfahrens soll ein Anhörungstermin beim Familiengericht stattfinden. Wir kennen alle die Diskussion um die Frage, wie Richter dies neben den zahlreichen anderen anhängigen Verfahren zum Unterhalt oder zur Scheidung bei der Terminierung bewältigen sollen. Ebenso kommt nicht selten die Problematik auf, ob es das Jugendamt in der Kürze der Zeit leisten kann, mit den betroffenen Eltern ein Gespräch zu führen und einen Bericht – sei es zumindest mündlich – im Termin zu liefern. Kontrovers sind auch die Einschätzungen dazu, unter welchen Voraussetzungen in Ausnahmefällen eine Verlegung des Termins durch den beteiligten Rechtsanwalt erreicht werden kann, vor allem, wenn vergleichbare Anhörungstermine zeitlich kollidieren und der Rechtsanwalt in einer Sozietät tätig ist.

Ziel und Motiv des Gesetzgebers bei der Reform war es, einen Beitrag dazu zu leisten, dass Kinder in Trennungskonflikten zumindest weniger als Druckmittel missbraucht werden. Auch soll der Eskalation des Elternkonfliktes im Idealfall vorgebeugt werden, indem langwierige Verfahren verhindert werden und möglichst zeitnah eine tragfähige Einigung in einem frühen Termin verhandelt wird.

Die praktische Umsetzung dieser Reform präsentiert sich sehr positiv, wenn man bei gleichzeitiger Anhängigmachung eines Hauptsache- und eines Eilverfahrens den gerichtlichen Hinweis erhält, dass voraussichtlich die Hauptsache so schnell geregelt werde, dass die Eilsache inhaltlich keine relevante Halbwertzeit mehr habe, zumal ohnehin nicht vorab ohne mündliche Verhandlung entschieden werde. Ginge man davon aus, dass alle Gerichte gleichermaßen stringent arbeiten und entsprechend personell besetzt wären, so dürfte das Ziel der Reform optimal erreicht sein.

Vor so einem Hintergrund wird sich der Familienrechtler wohl kaum mit der Thematik einer Verzögerungsrüge inhaltlich auskennen müssen – oder?

Wie frustrierend – vor allem für die betroffenen Eltern und Kinder – ist es da, wenn in manchen Verfahren allein die Erstellung eines Protokolls mehr als drei Monate in Anspruch nimmt. Erst recht ist es dem Mandanten nicht mehr zu vermitteln, wenn sich der Anwalt in einem Umgangsrechtsverfahren nach diversen fruchtlosen Sachstandsanfragen entscheiden muss, eine Verzögerungsrüge zu erheben. Leider führte dies im hier dargestellten Fall zunächst nur zu einer neuerlichen Terminierung, da sich naturgemäß das Gericht nach ca. 15 Monaten Zeitablauf seit dem letzten Verhandlungstermin über die Entwicklungen informieren musste, die gegebenenfalls eine anderweitige Entscheidung rechtfertigen würden. Auch heute, drei weitere Monate nach dem letzten, zweiten Verhandlungstermin liegt eine Entscheidung immer noch nicht vor!

Selbst wenn im zweiten Schritt nach § 198 GVG dem Verfahrensbeteiligten eine angemessene Entschädigung zugesprochen würde, kann dies das eigentliche Ziel, mehr Umgang mit den Kindern zu erhalten, wohl kaum kompensieren. Es bleibt daher der dringende Wunsch offen, auch personell die Gerichte so gut auszustatten, dass Reformziele zumindest in einem vertretbaren Rahmen erreicht werden können. Auch wäre zu bedenken, dass sich der Beschleunigungsgedanke nicht nur auf den Zeitpunkt der Anhörung erstrecken sollte, sondern auch insgesamt auf die abschließende Erledigung des Verfahrens. Möge daher der vorstehende Fall eine äußerst unglückliche Ausnahme sein!

Autor: Inge Saathoff

Inge Saathoff, Rechtsanwältin und Fachanwältin für Familienrecht, Oldenburg

FF 6/2014, S. 221

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