Der BGH unterzieht, wie es ständiger Rechtsprechung nach der grundlegenden Entscheidung vom 11.2.2004[3] entspricht, den streitigen Ehevertrag einer zweistufigen Inhaltskontrolle. Zunächst wird im Rahmen einer Wirksamkeitskontrolle überprüft, ob der Ehevertrag bereits zum Zeitpunkt seines Abschlusses zu einer derart einseitigen Lastenverteilung führt, dass er wegen Verstoßes gegen § 138 Abs. 1 BGB ganz oder teilweise nichtig ist, so dass die gesetzlichen Scheidungsfolgen eingreifen. Erforderlich ist dabei eine Gesamtwürdigung der Umstände. Objektiv sind der Vertragsinhalt, die individuellen Verhältnisse bei Vertragsabschluss sowie der geplante oder bereits verwirklichte Zuschnitt der Ehe zu berücksichtigen. Der Vertragsinhalt wird vom BGH in ständiger Rechtsprechung danach beurteilt, ob Rechte aus dem Kernbereich des Scheidungsfolgenrechts abbedungen wurden. Subjektiv sind die von den Parteien verfolgten Zwecke und Beweggründe zu berücksichtigen.[4]

Der BGH erachtet den streitigen Ehevertrag als wirksam. Zwar greife der Vertrag mit einem vollständigen Ausschluss des Versorgungsausgleichs und des Unterhalts tief in den Kernbereich des Scheidungsfolgenrechts ein. Jedoch betont der BGH die "umfassende Freiheit bei der inhaltlichen Gestaltung von Eheverträgen" und erachtet den Ausschluss des Betreuungsunterhalts bei Fehlen eines Kinderwunsches, aber auch bei der Doppelverdienerehe jüngerer Ehegatten, die eine spätere Familiengründung für möglich halten, aber noch nicht konkret geplant haben, für möglich. Zeichnet sich bei Vertragsschluss noch keine Tendenz zur Alleinverdienerehe ab, ist der Ausschluss des Unterhalts nach § 1570 BGB nicht sittenwidrig, sondern gegebenenfalls über eine Ausübungskontrolle zu korrigieren. Im vorliegenden Fall hätten die Parteien bei Vertragsschluss noch nicht konkret geplant, dass die Ehefrau bei der Geburt eines Kindes ihre Berufstätigkeit beenden solle.

Auch der Verzicht auf Alters- und Krankenunterhalt und Versorgungsausgleich sei für sich genommen nicht sittenwidrig, wenn zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses noch nicht absehbar ist, wann und unter welchen Umständen der Ehegatte unterhaltsbedürftig werden wird. Vorliegend sei bei Vertragsschluss nicht vorhersehbar gewesen, dass die Ehefrau zukünftig keine ausreichende Vorsorge für Alter und Krankheit mehr werde treffen können.[5]

Selbst wenn die getroffenen Einzelregelungen eines Ehevertrages die Sittenwidrigkeit nicht rechtfertigen, kann sich jedoch, so der BGH, die Sittenwidrigkeit aus einer Gesamtbetrachtung des Ehevertrages ergeben, wenn das Zusammenwirken der Einzelregelungen erkennbar auf eine einseitige Benachteiligung eines Ehegatten abzielt. Auch eine solche Gesamtbetrachtung begründe allerdings vorliegend keine Sittenwidrigkeit des Ehevertrages. Zum einen hätte sich bei kurzer Ehedauer der Ehevertrag zugunsten der damals vollzeitig beschäftigten Ehefrau auswirken können. Andererseits habe der Senat immer wieder betont, dass es keinen Mindestgehalt unverzichtbarer Scheidungsfolgen gebe. Ein objektiv unausgeglichener Vertragsinhalt rechtfertige das Verdikt der Sittenwidrigkeit regelmäßig noch nicht. Erforderlich sei zusätzlich subjektiv die verwerfliche Gesinnung des anderen Ehegatten. Der unausgewogene Vertrag bilde nur ein Indiz für eine unterlegene Verhandlungsposition. Die Sittenwidrigkeit des Vertrages sei daher in der Regel nur gerechtfertigt, wenn neben der objektiven Unausgewogenheit des Vertrages verstärkende Umstände vorlägen, die auf eine subjektive Unterlegenheit schließen ließen, wie z.B. das Ausnutzen einer Zwangslage, soziale oder wirtschaftliche Abhängigkeit oder intellektuelle Unterlegenheit.[6] Eine solche Unterlegenheit sei bei der Ehefrau zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses nicht ersichtlich.[7]

Auf der zweiten Ebene der Inhaltskontrolle wendet sich der BGH der Frage zu, ob der wirksam abgeschlossene Ehevertrag auch unverändert angewendet werden kann. Im Rahmen der Ausübungskontrolle muss der Richter prüfen, ob und inwieweit es einem Ehegatten nach Treu und Glauben verwehrt ist, sich auf den Ehevertrag zu berufen, weil dieser bei Scheitern der Ehe zu einer unzumutbaren Lastenverteilung zwischen den Ehegatten führt. Die Ausübungskontrolle führt nicht zur Unwirksamkeit des Vertrages und Anwendung der gesetzlichen Regelung, sondern ermächtigt den Richter, die Rechtsfolge anzuordnen, "die den berechtigten Belangen beider Parteien in der eingetretenen Situation ausreichend Rechnung trägt".[8] Der Senat fährt fort: "Auch die Grundsätze über den Wegfall der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) können dabei auf Eheverträge Anwendung finden, wenn und soweit die tatsächliche Gestaltung der ehelichen Lebensverhältnisse von derjenigen ursprünglichen Lebensplanung abweicht, welche die Ehegatten dem Ehevertrag zugrunde gelegt haben."[9]

Vorliegend geht der BGH mit dem OLG davon aus, dass eine "grundlegende Abweichung der tatsächlichen Lebenssituation von den bei Vertragsschluss zugrunde gelegten Lebensverhältnissen" im Hinblic...

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