Die entscheidende Hürde für eine angemessene juristische Anerkennung der Familienarbeit ist freilich die Vertragsfreiheit, so wie sie der BGH versteht: Ehevertag ist Ehevertrag, pacta sunt servanda. Eine einzige Unterschrift, geleistet in einer emotional aufgeladenen Situation, zählt mehr als ein ganzes Eheleben voll Familienarbeit. Der juristische Laie wundert sich, dass sich der Jurist nicht wundert. Im allgemeinen Vertragsrecht, im Verbraucherrecht, im Arbeitsrecht, insbesondere im Gesellschaftsrecht wird seit Jahrzehnten intensiv über eine Materialisierung der Vertragsfreiheit nachgedacht und diskutiert, was den Grundsatz pacta sunt servanda, die Annahme einer inhaltlichen Richtigkeitsgewähr von unter fairen Bedingungen abgeschlossenen Verträgen, rechtfertigt.[30] Es ist – vereinfacht formuliert – die Prämisse, dass die Parteien eines Vertrags grundsätzlich aus Eigennutz und zwecks Selbstoptimierung selbst möglichst gut für sich sorgen und davor schützen, übervorteilt zu werden. Das ist das Leitbild des homo oeconomicus und die Logik der Marktwirtschaft. Sie passt nicht für Verträge, in denen es nicht um Gewinnoptimierung für Individuen, sondern um langfristige Gestaltung einer gemeinsamen Zukunft geht.[31] Dennoch wird in keinem Rechtsgebiet pacta sunt servanda so rigoros und teleologisch unsensibel gehandhabt wie ausgerechnet im Familienrecht.[32] Bisher nicht einmal wahrgenommen wird, dass der BGH Gesellschafter bei einem Ausscheiden im Hinblick auf eine Inhaltskontrolle von Abfindungsbeschränkungen tendenziell pfleglicher behandelt als den geschiedenen Ehepartner, der unter dem Regime der Gütertrennung jahrelang Familienarbeit geleistet hat.[33] Gefordert ist der Blick über den Tellerrand familienrechtlicher Spezialdiskurse: Je mehr sich das Familienrecht dogmatisch als Bestandteil des Schuldrechts[34] sieht, umso wichtiger wird es, dass die familienrechtliche community nicht Konzeptionen des Privatrechts und der Privatautonomie nachhängt, die längst überholt sind.

[30] Dazu ausführlich mit weiteren Nachweisen aus den verschiedenen Rechtsgebieten Dauner-Lieb (Fn 2), AcP 210 (2010), 580, 593 ff.; dies., Vertragsfreiheit zwischen Unternehmen: AGB-Recht – ihr Garant oder Totengräber, AnwBl. 2013, 845.
[31] Grundlegend dazu Sanders (Fn 16), 313 ff.; siehe auch Britz (Fn 2), 244 f.
[32] Siehe nur der Müllverbrennungsfall BGH NJW 2013, 856; dazu Dauner-Lieb, AnwBl. 2013, 845.
[33] Dauner-Lieb (Fn 2), AcP 201 (2001), 295, 312.
[34] Schwab, Gemeinsame elterliche Verantwortung – ein Schuldverhältnis?, FamRZ 2002, 1297; vgl. aus neuerer Zeit etwa Löhnig/Preisner, NJW 2013, 2080, zu BGH NJW 2013, 2108.

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