Der BGH geht davon aus, dass ein Wechselmodell ein tatsächliches Gleichgewicht an erbrachter Fürsorge und Betreuung voraussetzt, wobei der zeitlichen Komponente der Betreuung indizielle Bedeutung zukommt, ohne dass sich die Beurteilung darauf beschränkt.[8] Solange einem Elternteil ein eindeutig feststellbares, wenn auch nicht notwendigerweise großes Übergewicht bei der tatsächlichen Fürsorge für das Kind zukommt, befindet es sich in dessen Obhut und damit verbleibt es bei der sich aus § 1629 Abs. 2 S. 2 BGB ergebenden Alleinvertretungsbefugnis dieses Elternteils. Nur für den Fall eines echten Wechselmodells mit tatsächlich gleichwertigen Betreuungsanteilen hat der BGH schon in der Entscheidung vom 21.12.2005[9] darauf hingewiesen, dass für die Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen ein Ergänzungspfleger zu bestellten oder eine Entscheidung nach § 1628 BGB herbeizuführen ist. Nach § 1629 Abs. 1 S. 2 BGB vertritt ein Elternteil das Kind auch dann allein, wenn ihm die alleinige Entscheidungsbefugnis nach § 1628 BGB übertragen wurde. Entscheidungen nach § 1628 BGB sind im Weg einer einstweiligen Anordnung möglich[10] und häufig auch geboten, so dass dieser Weg auf den ersten Blick als naheliegende und zweckmäßige Lösung erscheint. Näher begründet wurde der Hinweis auf § 1628 BGB, da nicht im Entscheidungsmittelpunkt stehend, in der Entscheidung nicht, sondern nur auf verschiedene Kommentarstellen verwiesen. Auch in der Entscheidung vom 12.3.2014[11] wies der BGH für den Fall des Vorliegens eines Wechselmodells auf das Erfordernis der Ergänzungspflegschaft bzw. einer Entscheidung nach § 1628 BGB unter Bezugnahme auf die Entscheidung aus dem Jahr 2005 hin. In der bislang letzten Entscheidung aus dem Jahr 2014[12] findet § 1628 BGB keine Erwähnung, auch nicht mittelbar durch Bezugnahme auf die vorangegangene Entscheidung des OLG.

Geht man dieser Frage in der Literatur nach, finden sich in Anlehnung an die BGH-Entscheidungen überwiegend identische Hinweise auf das Erfordernis der Bestellung eines Ergänzungspflegers oder der Herbeiführung einer Entscheidung nach § 1628 BGB.[13] Teilweise wird der Weg über den Ergänzungspfleger zwar als der vorzugswürdige erwähnt, allerdings ohne nähere Begründung.[14]

Ausgehend von Sinn und Zweck des § 1628 BGB, seinem Verhältnis zu § 1671 BGB und schließlich dem Vertretungsausschluss bei einer Interessenkollision, erscheint § 1628 BGB jedoch kein gangbarer Weg zur Lösung des Vertretungsproblems im Fall der Betreuung eines Kindes durch seine Eltern im Wechselmodell.

[7] Da es in diesem Beitrag um das Problem der rechtlichen Vertretung geht, soll er nicht durch Darstellung des Meinungsstreits über die Frage, ob es nur ein paritätisches oder auch ein nicht paritätisches Wechselmodell geben kann, befrachtet werden; dazu etwa Sünderhauf, NZFam 2014, 585.
[8] BGH FamRZ 2006, 1015, 1017, m. Anm. Luthin; FamRZ 2007, 707 Rn 16 m. Anm. Luthin; FamRZ 2014, 917 Rn 30 m. Anm. Schürmann; FamRZ 2015, 236 Rn 21 m. Anm. Born.
[9] FamRZ 2006, 1015 m. Anm. Luthin.
[11] FamRZ 2014, 917 m. Anm. Schürmann.
[12] FamRZ 2015, 236 m. Anm. Born.
[13] Klinkhammer, in: Wendl/Dose, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 8. Aufl., § 2 Rn 448 a.E.; Seiler, in: Gerhardt/v. Heintschel-Heinegg/Klein, Handbuch des Fachanwalts Familienrecht, 9. Aufl., 6. Kap. Rn 353; Lang, in: Schnitzler, Münchener Anwaltshandbuch Familienrecht, 4. Aufl., § 13 Rn 58; MüKo-BGB/Huber, Band 8, 6. Aufl., § 1629 Rn 77; Kaiser, in: Kaiser/Schnitzler/Friederici/Schilling, BGB, Familienrecht, Band 4, 3. Aufl., § 1629 Rn 41; Veit, in: Bamberger/Roth, BGB, Band 3, 3. Aufl., § 1629 Rn 44.2; Palandt/Götz, 74. Aufl., § 1629 Rn 26; Roßmann, in: Eder/Horndasch/Kubik/Kuckenburg/Perleberg-Kölbel/Roßmann/Viefhues, Das familienrechtliche Mandat, Unterhaltsrecht, 2015, § 9 Rn 132 a.E.; Eder, in: Kleffmann/Klein, Unterhaltsrecht, 2. Aufl., § 1606 Rn 30; alternativ auch für die Beistandschaft nach §§ 1712 Abs. 1 Nr. 2, 1713 BGB Roßmann, in: Eschenbruch/Schürmann/Menne, Der Unterhaltsprozess, 6. Aufl., Kap. 3 Rn 176; ebenso Kamm, in: Koch, Handbuch des Unterhaltsrechts, 12. Aufl., 7. Kap. Rn 7027; Völker/Clausius, [Fn 6], § 1 Rn 137; Altrogge, in: Rahm/Künkel, Handbuch Familien- und Familienverfahrensrecht, Band II, Stand November 2014, I 6 B Rn 647 a.E. – wobei die Beistandschaft im Fall eines Wechselmodells daran scheitern dürfte, dass antragsbefugt nach § 1713 Abs. 1 S. 2 BGB bei gemeinsamer Sorge nur der Obhutselternteil ist; soweit ersichtlich weist lediglich Seebach, in: Grandel/Stockmann, Stichwortkommentar Familienrecht, 2. Aufl., unter dem Stichwort "Wechselmodell" darauf hin, dass streitig sei, ob eine Entscheidung nach § 1628 BGB möglich ist.
[14] Jaeger, in: Johannsen/Henrich, Familienrecht, 6. Aufl., § 1629 Rn 6.

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