Berlin: (hib/HAU) Der Petitionsausschuss sieht Änderungsbedarf bei den Regelungen zum Versorgungsausgleich geschiedener Ehepartner. In der Sitzung (…) beschlossen die Abgeordneten daher einstimmig, eine dahingehende Petition dem Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) als Material zu überweisen und den Fraktionen des Bundestags zur Kenntnis zu geben. Mit der Eingabe wird beantragt, auch nach Durchführung des Versorgungsausgleiches im Scheidungsverfahren "übersehene, vergessene oder verschwiegene Anrechte nachträglich ausgleichen zu können".

Zur Begründung ihres Ansinnens weist die seit 1985 geschiedene Petentin auf ihre persönliche Situation hin. Demnach habe ihr geschiedener Ehemann während der Ehe ein Anrecht auf eine betriebliche Altersvorsorge erworben, welches bei der Entscheidung über den Versorgungsausgleich nicht berücksichtigt worden sei. Einem Antrag der Petentin auf Abänderung des Versorgungsausgleiches sei der geschiedene Ehemann entgegengetreten, mit dem Verweis, dass die Entscheidung nicht nachträglich geändert werden könne. (…)

Aus Sicht des Petitionsausschusses ist (…) die Argumentation der Petentin nachvollziehbar, dass in dem Falle eine Missbrauchsmöglichkeit besteht, die vom Gesetzgeber behoben werden sollte. "Die bestehende Rechtslage privilegiert ein Verhalten, vorhandene Anrechte zu verschweigen, in der Hoffnung, dass dies im Scheidungsverfahren womöglich nicht auffällt und nachträglich nicht mehr korrigiert werden kann", urteilen die Abgeordneten.

Quelle: https://www.bundestag.de; hib Nr. 618 v. 25.11.2015

Anmerkung:

Der Ausgleich vergessener oder verschwiegener Anrechte kann nach höchstrichterlicher Rechtsprechung weder im Rahmen eines Abänderungsverfahrens noch innerhalb des schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs erfolgen (BGH FamRZ 2013, 1548). Es besteht für die beteiligten Eheleute ein erhebliches Risiko, dass im Rahmen der Scheidung wirklich sämtliche Anrechte im Versorgungsausgleich erfasst und dann auch ausgeglichen werden.

Aufgrund dieser Rechtslage blieb daher lediglich das Restitutionsverfahren nach § 118 FamFG i.V.m. § 580 Abs. 1 ZPO als einzige Möglichkeit, ein solches – vergessenes – Anrecht später noch dem Ausgleich zuzuführen. Die Geltendmachung eines möglichen Schadenersatzanspruchs setzt demgegenüber voraus, dass für das absichtliche Verschweigen des Anrechts im Rahmen der Auskunft durch den Verpflichteten der berechtigte Ehepartner den Vollbeweis erbringt. Hinsichtlich der lediglich vergessenen Anrechte greift ein Schadenersatzanspruch von vornherein nicht.

Jüngste Entscheidungen der Gerichte lassen allerdings befürchten, dass auch ein Restitutionsverfahren keinerlei Sicherheit im Hinblick auf die vergessenen und verschwiegenen Anrechte bietet. So besteht die überwiegende Auffassung, dass eine später zur Kenntnis gelangte Versorgungsauskunft keine Urkunde i.S.v. § 580 Abs. 1 Nr. 7b ZPO darstellt und somit nicht die Wiederaufnahme des Verfahrens rechtfertigt (OLG Stuttgart, Urt. v. 2.6.2010 – 9 U 82/09, juris; OLG Köln FamRZ 2014, 764; a.A. FamRB 2015, 410, Anm. Wagner).

Nach § 580 Abs. 1 Nr. 7b ZPO ist eine Restitutionsklage dann zulässig, wenn eine Partei eine andere Urkunde auffindet, die eine ihr günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würde. Hierunter ist dem Wortlaut nach sicherlich die später aufgefundene Auskunft des Versorgungsträgers zu subsumieren. Allerdings sind solche Urkunden ausgeschlossen, die lediglich die Verkörperung anderer, im Restitutionsverfahren ausgeschlossener Beweismittel wie Zeugenaussagen oder Sachverständigengutachten darstellen (Prütting/Gehrlein/Meller-Hannich, ZPO, § 580 Rn 14; Zöller/Greger, ZPO, 28. Aufl., § 580 Rn 18; MüKo/Braun, ZPO, 3. Aufl., § 580 Rn 47). Damit dürfte auch die Notlösung, vergessene oder übersehene Anrechte im Wege des Restitutionsverfahrens noch auszugleichen, versperrt sein.

Insofern ist dem Petitionsausschuss nur uneingeschränkt zuzustimmen, der hier mit seiner Eingabe an das Bundesministerium der Justiz und Verbraucherschutz beantragt hat, auch nach Durchführung des Versorgungsausgleichs im Scheidungsverfahren übersehene, vergessene oder verschwiegene Anrechte nachträglich ausgleichen zu können.

Autor: Klaus Weil

Klaus Weil, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Familienrecht, Marburg

FF 3/2016, S. 90 - 91

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