Einführung

Das sog. Nebengüterrecht heutiger Prägung ist seit jeher Gegenstand eines rechtswissenschaftlichen und rechtspolitischen Diskurses,[1] der vor allem mit seinen prozessualen und materiellen Fragen[2] insbesondere für die Anwaltschaft von Bedeutung ist. Sie muss bei der Fallbearbeitung zuerst die aktiven und passiven Erfolgsaussichten verantwortlich beurteilen. Das ist auch von haftungsrechtlicher Relevanz. Der Bericht der Reformkommission des Deutschen Familiengerichtstages,[3] welcher der Verfasser angehört, verleiht der Thematik Aktualität.

Der Beitrag führt kursorisch von der lex lata – den ersten höchstrichterlichen Grundsatzentscheidungen – über die nachfolgende Entwicklung zum neuen Bericht der Reformkommission des Deutschen Familiengerichtstags mit den beiden erarbeiteten Lösungsvorschlägen. Für die nun anstehenden weiteren Überlegungen kommt es nach Meinung des Verfassers auf die rechtliche Qualität des Nebengüterrechts an: handelt es sich hierbei materiell um den Ausgleich von Zugewinn, also um einen "Zugewinnausgleich" außerhalb des gesetzlichen Zugewinnausgleichs, oder nicht? Dies soll hier untersucht werden, erstens um eine Entscheidungsgrundlage für die sedes materiae einer künftigen gesetzlichen Regelung des sog. Nebengüterrechts im BGB zu erarbeiten, zweitens um die dem Autor dringend erforderlich erscheinende weitere Diskussion auch zu dieser zentralen Frage anzuregen. [4]

[1] Ausführliche Register für die gesamte Zeit der Nebengüterrechtspraxis sind wie folgt veröffentlicht: Rechtsprechung ab Reichsgericht und Oberstem Gerichtshof für die britische Zone mit BGH, OLG und ausgewählten nachgeordneten Gerichten bei Herr, Nebengüterrecht, 2013, S. 130–216; Literatur ab 1932 bei Herr in Münch/Herr, Familienrecht in der Notar- und Gestaltungspraxis, 3. Aufl. 2020, § 6 Rn 16.
[2] Neben übergeordneten Bedenken insbesondere der Legitimation von Richterrecht und der Rechtssicherheit; dazu ausführlich Herr, Nebengüterrecht, 2013, Rn 46 ff.
[3] Budzikiewicz/Herr/Wever, Reformbedarf im Güter- und Nebengüterrecht, FamRZ 2021, 255.
[4] Anwaltschaft (diese im eigenen Interesse), aber auch Lehre und Rechtsprechung sollten die Gunst der Stunde nutzen, aus Anlass des Berichts der DFGT-Reformkommission und der damit verbundenen aktuellen Publizität des Themas an der Meinungsbildung im Hinblick auf eine Gesetzesreform teilzunehmen.

A. Gegenstand

Der Begriff "Nebengüterrecht" ist nicht legal definiert. Er ist ein Rechtsbegriff, der sich in der Praxis aus einem umfassenderen Komplex familienrechtlich bedeutsamer, bei Trennung und Scheidung virulent werdender, aber nicht im Familienrecht selbst geregelter Anspruchsgrundlagen mit Vermögensbezug herauskristallisiert hat. "Nebengüterrecht" in diesem Sinn umfasst die konkludente Ehegatteninnengesellschaft, die ehebezogene Zuwendung und den familienrechtlichen Kooperationsvertrag.[5]

Diese Ansprüche zielen nicht auf den Ausgleich sämtlichen ehelichen Zugewinns, sondern allein desjenigen, den der benachteiligte Ehegatte generiert hat ("Wertschöpfung"[6]). Sie bewirken zwar nicht, dass der aus tatsächlichen[7] oder rechtlichen[8] Gründen scheiternde Zugewinnausgleich vollständig durchgeführt wird, aber immerhin erhält der benachteiligte Ehegatte einen Teil dessen, was er beim Zugewinnausgleich erhielte, vorausgesetzt, dies ist unter Billigkeitsgesichtspunkten erforderlich.

These:

Das Nebengüterrecht ist materielles Güterrecht. Es ist Richterrecht und allein deshalb nicht auch formelles Güterrecht. Eine Übernahme des Nebengüterrechts in das BGB (so die Empfehlung der Reformkommission[9]) hätte daher schon unter systematischen Aspekten durch eine unmittelbare Ergänzung des Zugewinnausgleichsrechts zu erfolgen.

In diesem Beitrag sollen das gesetzliche Zugewinnausgleichsrecht und das sog. Nebengüterrecht miteinander verglichen, also gegenübergestellt werden.

[5] Der Gesetzgeber hat sie, ohne sie im Gesetz ausdrücklich zu erwähnen, über § 266 FamFG in seinen Willen aufgenommen, wie die Materialien zeigen.
[6] Zum Begriff vgl. etwa BGHZ 142, 137.
[7] Insbesondere gestörter Zugewinnausgleich: verlorenes Anfangsvermögen oder Schulden im Endvermögen des anderen Ehegatten führen rechnerisch zu einem Nullergebnis.
[8] Ehevertrag: Gütertrennung oder modifizierter Zugewinnausgleich.
[9] Budzikiewicz/Herr/Wever, Reformbedarf im Güter- und Nebengüterrecht, FamRZ 2021, 255, 259, 260.

B. Vorfrage: Der Begriff "Nebengüterrecht"

Das Präfix "Neben" drückt eine Unterordnung oder Gleichstellung aus.[10] Es wäre daher verfehlt, das "Neben"güterrecht als etwas anzusehen, das in einer Weise "neben" dem (eigentlichen) Güterrecht steht, die ihm einen anderen, vielleicht sogar konträren materiellen Gehalt zuspricht als dem "Güterrecht" selbst.[11] Richtig wäre daher die Bezeichnung "nebengesetzliches Güterrecht", die aber nicht gebräuchlich und auch zu umständlich ist.

Einen weiteren Erkenntnisgewinn verspicht die historische Betrachtung. Sie öffnet den Blick dafür, wie und wann es zu diesem Richterrecht gekommen ist. Allerdings ist das ein Thema, welches den Rahmen dieses...

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