Klaus Weil

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

die Weihnachtsfeiertage mit ihrer wunderbaren Ruhe und Besinnlichkeit liegen hinter uns. Das neue Jahr ist angebrochen und der Praktiker im Familienrecht wartet gespannt auf wesentliche Entscheidungen – nicht nur – des BGH zu juristischen Fragestellungen, um diese in der täglichen Arbeit umsetzen zu können.

Da sind zunächst streitige Fragen des Versorgungsausgleichs: Zu wessen Lasten erfolgt der nachehezeitliche Werteverzehr kapitalgedeckter Versorgungen bei bereits eingetretenem Rentenbezug des Ausgleichsverpflichteten? Muss sich der Ausgleichsberechtigte mit einem kleineren Stück des Versorgungskuchens begnügen? Oder muss der Ausgleichsverpflichtete mehr als die Hälfte von dem abgeben, was noch zum Zeitpunkt der Entscheidung zum Versorgungsausgleich vorhanden ist? Oder ist es gar Sache des Versorgungsträgers, den bei ihm eintretenden Mehraufwand lediglich aufgrund der Scheidung seines Mitglieds zu tragen? – wohl kaum.

Auch die Frage des "richtigen" Rechnungszinses im Rahmen der externen Teilung beschäftigt uns nun schon eine Weile. Darf der Versorgungsträger mit dem ursprünglichen Rückstellungszins rechnen oder muss er bei der Scheidung seines Mitglieds einen Ausgleich auf der Grundlage des marktüblichen Zinssatzes gewährleisten? Das Bundesverfassungsgericht hat im September 2015 mit seiner Entscheidung dafür gesorgt, dass für anhängige Verfahren, in denen der Rechnungszins streitig ist, die ausstehende Entscheidung des BGH besser abgewartet werden sollte.

Und dann natürlich auch noch das Problem der Art der Teilung des Wertes eines Anrechts bei der öffentlich-rechtlichen Zusatzversorgung – Versorgungspunkte oder doch Kapital? Geradezu sehnsüchtig wartet der Familienrechtler auf die Vorgaben seines höchsten Gerichts, um diese streitigen Fälle abschließen zu können. Die unterschiedliche Behandlung durch die Instanzgerichte ist derzeit mehr als unbefriedigend.

Aber auch beim Unterhalt wird der BGH im Sommer eine interessante Frage zu beantworten haben: Entsteht ein ehebedingter Nachteil immer nur aufseiten des unterhaltsberechtigten Ehegatten, der vom anderen Ehepartner in voller Höhe auszugleichen ist? Oder erleidet der Unterhaltspflichtige, indem er diesen Nachteil in voller Höhe ausgleicht, nicht dadurch selbst einen solchen – ehebedingten – Nachteil, der gerade nicht ausgeglichen wird?

Und natürlich wird das in aller Munde liegende Wechselmodell mit seinen vielseitigen Facetten die Familien- und Oberlandesgerichte auch 2016 rege beschäftigen. Ab welcher zeitlichen Aufteilung können wir von Parität sprechen und wann liegt lediglich ein erweiterter Umgang vor? Ist die nächtliche Betreuung eines Kindes der am Tage gleichwertig? Was, wenn das Kind gerade nachts von größerer Unruhe getrieben ist?

Dies alles sind spannende juristische Fragen, die auch im neuen Jahr keine Langeweile aufkommen lassen. Das Familienrecht ist ständig im Fluss und muss sich dabei auch den gesellschaftlichen Veränderungen anpassen. Entscheidungen, die in Stein gemeißelt sind, gibt es nicht. Ich denke dabei nur an die Pirouetten des BGH im Hinblick auf die Bewertung einer mit einem Nießbrauch belasteten Immobilie im Anfangs- und Endvermögen. Es ist daher auch Aufgabe von uns Familienanwälten, diese Veränderungen mitzugestalten. Dies setzt voraus, juristische "Heiligtümer" auch infrage zu stellen und sie einer Überprüfung zuzuführen. Manchmal muss man dafür dicke Bretter bohren. Aber das macht juristisches Arbeiten auch so spannend. Allerdings sollten wir dabei immer den gesunden Menschenverstand im Auge behalten und manchen juristischen Gedankengang daraufhin überprüfen.

Hierfür wünsche ich Ihnen auch für 2016 viel Kraft und Freude!

Autor: Klaus Weil

Klaus Weil, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Familienrecht, Marburg

FF 1/2016, S. 1

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