1. Ansatz beim Unterhalt und beim Zugewinnausgleich

Wenn eine Abfindung für Unterhaltszwecke nur insoweit zu verwenden ist, als der Unterhaltsschuldner am neuen Arbeitsplatz weniger verdient als an dem früheren, kann nicht ausgeschlossen werden, dass sie nur teilweise für den Unterhalt gebraucht wird. Der Rest ist beim Zugewinnausgleich zu berücksichtigen. Dies bedeutet, dass eine Abfindung grundsätzlich sowohl beim Unterhalt als Einkommen als auch beim Zugewinnausgleich als Vermögen anzusetzen ist, um zu vermeiden, dass eine Partizipation des anderen Ehegatten ganz oder teilweise unterbleibt. Für den Zugewinnausgleich kommt es auf die Höhe des Abfindungsbetrags am maßgebenden Stichtag an. Für den Unterhalt muss die Abfindung jetzt und künftig als Einkommen für den monatlich fälligen Unterhalt zur Verfügung stehen. Nach dem sowohl für das Unterhaltsrecht als auch für den Zugewinnausgleich geltenden Halbteilungsprinzip kann der eine Ehegatte von dem anderen aber nur einmal die Hälfte der Abfindungssumme beanspruchen.[8]

[8] BGH FamRZ 2003, 433; 2011, 623 (st. Rspr).

2. Sicherung der Halbteilung

a) Materiell-rechtliche Lösungen

In einem früheren Urteil des BGH[9] heißt es, dass ein güterrechtlicher Ausgleich nicht stattzufinden habe, soweit eine Vermögensposition bereits unterhaltsrechtlich auszugleichen sei. Dieser Grundsatz gelte aber nicht uneingeschränkt, etwa wenn Unterhaltsrückstände, die das Endvermögen verminderten, nicht beitreibbar seien. Zur Vermeidung eines Doppelausgleichs ist nach der Rechtsprechung des BGH[10] letztlich der Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) entscheidend.

In der Literatur[11] werden zahlreiche Vorschläge gemacht, wie das Konkurrenzverhältnis der Ausgleichssysteme Unterhalt und Zugewinnausgleich in Hinblick auf die Wahrung des Halbteilungsgrundsatzes hinsichtlich einer Abfindung materiell-rechtlich zu lösen sei. Darauf kann hier nur verwiesen werden.

[9] BGH FamRZ 2003, 1546.
[10] BGH FamRZ 2003, 433.
[11] Kogel, FamRZ 2004, 1866; Brudermüller, NJW 2005, 3187; Maier, FamRZ 2004, 897; 2010, 1315; Gerhardt/Schulz, FamRZ 2005, 145; Hoppenz, FamRZ 2006, 1242; 2008, 765.

b) Gewährung der halben Abfindung als Abänderungsgrund

Das Urteil des BGH vom 18.4.2012 regt dazu an, auch verfahrensrechtliche Möglichkeiten in die Überlegungen einzubeziehen. Der BGH hat darauf hingewiesen, dass dem Unterhaltsschuldner offenbleibe, den Verbrauch der Abfindung mit einem Abänderungsantrag nach § 238 FamFG vorzubringen. Damit ist die Grundlage genannt, die das Gesetz zur Verfügung stellt, um eine in die Zukunft gerichtete Entscheidung mit einer späteren Entwicklung der Verhältnisse in Einklang zu bringen.

Die Bestimmung des § 238 FamFG ist auch heranzuziehen, um geltend zu machen, dass der Verpflichtete nach der letzten Tatsachenverhandlung im Unterhaltsverfahren die Hälfte der Abfindung dem Unterhaltsberechtigten zugewandt habe und deswegen eine Bedarfsbemessung mit deren Ansatz als Einkommen nicht mehr gerechtfertigt ist. Die Erreichung der Halbteilung der Abfindung ist eine eingetretene tatsächliche Veränderung der Verhältnisse.

Dazu muss der Antragsteller im Abänderungsverfahren nachweisen, dass er als Ausgleichsverpflichteter den unter Ansatz der Abfindung sich ergebenden Zugewinnausgleich gezahlt hat oder nach Ansatzes der Abfindung im Endvermögen Ausgleichsberechtigter ist. Zusätzlich muss er nachweisen, dass sich sein sonstiges Einkommen nicht wesentlich erhöht hat; denn für eine Abänderung genügt die Veränderung eines Einzelumstands nicht. Vielmehr muss die Abänderung des Unterhalts bei einer Gesamtwürdigung gerechtfertigt sein.

c) Einzelheiten des Vorschlags

aa) Wirkliche Teilhabe an der Abfindung

Grundsätzlich ist sowohl im Unterhalts- als auch im Zugewinnausgleichsverfahren darauf zu achten, dass ein Doppelausgleich vermieden wird. Dies kann nicht schon dadurch erreicht werden, dass die Abfindung nur in dem einen Verfahren und nicht in dem anderen berücksichtigt wird, weil, wie der BGH zutreffend bemerkt, eine Verurteilung dem Gläubiger nichts nützt, wenn der Schuldner nicht zahlt. Entscheidend ist deswegen darauf abzustellen, inwieweit dem Ehegatten die Hälfte der Abfindung tatsächlich zugewendet wurde.

bb) Abfindung im Zugewinnausgleichsverfahren

Hat der Verpflichtete Unterhalt geleistet, ist der auf die Abfindung zurückgehende, bis zum Stichtag gezahlte Betrag zu verdoppeln, von der Abfindung abzuziehen und der Rest als Vermögen in die Zugewinnausgleichsrechnung einzusetzen.

Unterhaltsrückstände am Stichtag sind nach der Rechtsprechung des BGH[12] als Verbindlichkeiten anzusetzen. Die unterhaltsrechtliche Beteiligung der Abfindung wird dem Berechtigten damit zur Hälfte wieder genommen. Dies ist zu bedenken, wenn der Verpflichtete im Abänderungsverfahren gegen die Unterhaltsentscheidung die Gewährung der halben Abfindung geltend macht.

Leistet der Verpflichtete auch nach dem Stichtag für den Zugewinnausgleich Unterhalt aufgrund des Ansatzes der Abfindung, muss er den insoweit gezahlten Betrag zur Vermeidung einer Präklusion bis zu der letzten Tatsachenverhandlung im Zugewinnverfahren vorbringen und gegebenenfalls nachweisen, damit dieser (einfache, nicht doppelte Betrag) von der Verurteilungssumme zum Zugewinnausgleich in der zu erlassenden Entscheidung abgezogen wird.

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