Einführung

Die Ausgaben für die Gewährung von Prozesskostenhilfe und Beratungshilfe sind den finanziell klammen Ländern schon lange ein Dorn im Auge. Bislang konnte sich aber ein Entwurf des Bundesrates, der das Ziel hat, die Ausgaben der Länder für die Bewilligung von staatlichen Leistungen im Justizbereich zu senken, nicht durchsetzen. Nun hat die Bundesregierung einen eigenen Gesetzesentwurf eingebracht, der in erster Lesung am 31.1.2013 beraten wurde.[1] Im Rechtsausschuss fand am 13.3.2013 die Anhörung der Sachverständigen statt.

Die wesentlichen Änderungen des Entwurfes der Regierung sind:

Auch im Bereich Beratungshilfe sollen Einsparungen erfolgen:

Aufgrund der deutlichen Kritik der Sachverständigen modifizierte der Rechtsausschuss den Gesetzentwurf in entscheidenden Punkten.[2] Dieser Entwurf wurde in zweiter und dritter Lesung am 16.5.2013 angenommen.

[1] BT-Drucks 17/11472.
[2] BT-Drucks 17/13438.

1

  1. Die Gerichte sollen erweiterte Möglichkeiten erhalten, die Bedürftigkeit des Antragstellers umfassend aufklären, um auf diese Weise ungerechtfertigte Prozesskostenhilfebewilligungen zu vermeiden.
  2. Die Freibeträge werden gesenkt und die Ratenzahlungshöchstdauer wird um zwei Jahre verlängert. Dadurch sollen die Prozesskostenhilfeempfänger in stärkerem Maße als bisher an der Finanzierung der Prozesskosten beteiligt werden.
  3. Die Anwaltsbeiordnung wird in arbeitsgerichtlichen Verfahren und einverständlichen Ehescheidungen geändert.

2

  1. Die Bewilligungsvoraussetzungen werden konkreter gefasst.
  2. Ein Erinnerungsrecht der Staatskasse wird eingeführt.
  3. Die vorherige Antragstellung wird zum Regelfall, um eine höhere Erledigungsquote von Beratungshilfefällen direkt bei den Gerichten zu ermöglichen.
  4. Das Vergütungssystem soll flexibilisiert werden.
  5. Die Beratungshilfe soll künftig in allen rechtlichen Angelegenheiten, somit auch in den steuerrechtlichen, erteilt werden können.
  6. Der Kreis der die Beratungshilfe erteilenden Personen wird um Steuerberater, Steuerbevollmächtigten und Rentenberater erweitert.

I. Prozesskostenhilfe

1. Gesetzliche Definition der Mutwilligkeit

Der Begriff der Mutwilligkeit der Rechtsverfolgung ist einer der Kernbegriffe des PKH-Rechts. Dabei ist die Definition durch die Rechtsprechung erfolgt. Eine Rechtsverfolgung ist mutwillig, wenn eine verständige, nicht hilfebedürftige Partei ihre Rechte nicht in gleicher Weise verfolgen würde.[3]

Diese Definition wird nun zur Legaldefinition, allerdings um einen Zusatz ergänzt. Zukünftig kann die Rechtsverteidigung oder Rechtsverfolgung auch dann mutwillig sein, wenn eine hinreichende Aussicht auf Erfolg besteht.

Durch den Zusatz sollen vor allem die Verfahren betroffen sein, in denen zwar Erfolgsaussicht für das Verfahren besteht, eine Realisierung der Forderung aber zweifelhaft ist. Das betrifft die Fälle der bekannten Vermögenslosigkeit des Schuldners, so dass die Vollstreckung der Forderung aller Voraussicht nach erfolglos bleibt, oder aber wenn die Zwangsvollstreckung im Ausland durchgeführt werden muss. Die gesetzliche Definition der Mutwilligkeit ist zu begrüßen, allerdings ist zweifelhaft, ob durch die ausdrückliche gesetzliche Normierung, dass Mutwilligkeit trotz Erfolgsaussicht gegeben sein kann, eine gravierende Änderung mit den erhofften Sparpotentialen zu erwarten ist. Die Rechtsprechung hat die Fallgruppen der fehlenden Erfolgsaussichten und der Auslandsvollstreckung schon zuvor entwickelt und dafür die PKH versagt. Dabei sollte der Grundsatz, dass die Frage der Vollstreckung gegen den Schuldner im Erkenntnisverfahren ohne Belang ist, erhalten bleiben.[4] Dennoch wurde im Einzelfall eine fehlende Vollstreckungsmöglichkeit zum Anlass genommen, Mutwilligkeit zu bejahen, etwa bei Geltendmachung von Unterhaltsforderungen gegen einen Schuldner im Ausland (Kasachstan), wenn dort eine Realisierung nicht zu erwarten ist.[5] Allerdings sollte ein Ausschluss der VKHBewilligung aber äußerst zurückhaltend Anwendung finden, vor allem dann, wenn gerade der Schuldner sich darauf beruft. So ist es insbesondere bei Unterhaltsforderungen ein falsches Signal an den Schuldner, ein Verfahren gerade dadurch verhindern zu können, dass er sich vehement seiner Zahlungsverpflichtung entzieht.[6] Zudem muss dem Gläubiger einer Forderung unbenommen bleiben, auch bei im Moment schlechten Vollstreckungsprognosen, eine Titulierung seiner Forderung vorzunehmen, um sie im Hinblick auf Verwirkung und Verjährung durchsetzbar zu halten. Letztlich kann der Schuldner auch unerwartet zu Geld kommen – Erbschaft, Lotteriegewinn –, dann würde der unbemittelte Gläubiger mangels Titels nicht im Wege der Vollstreckung zugreifen können. So würde eine unberechtigte Benachteiligung gegenüber Gläubigern mit titulierten Forderungen eintreten.

Eine weitere Neuerung im Bereich der Mutwilligkeit findet sich in § 124 ZPO. Das Gericht kann auch im laufenden Verfahren die Bewilligung von Prozesskostenhilfe teilweise aufheben, wenn und soweit sich aus nachträglich eingetretenen Gründen eine Beweisaufnahme als mutwillig darstellt. Das ist insbesondere bei kostenträchtigen Beweisaufnahmen durch...

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