Neben Deutschland verlangt weltweit eine große Zahl weiterer Staaten die gerichtliche Scheidung. In anderen Staaten liegt die Zuständigkeit zwar nicht bei den Gerichten, sondern bei einer Behörde. Ein wesentlicher inhaltlicher Unterschied zu gerichtlichen Scheidungen besteht aber nicht, weil die ehebeendende Wirkung auch hier erst durch die letztverbindliche Gestaltungsentscheidung einer staatlichen Stelle nach einer inhaltlichen Prüfung der Scheidungsvoraussetzungen eintritt. In beiden Fällen kann also von Verfahrensscheidungen gesprochen werden.

Es gibt aber auch zahlreiche Rechtsordnungen, in denen die Scheidung durch einen privaten Willensakt eines oder beider Ehegatten herbeigeführt werden kann. Erstens kann die Scheidung im jüdisch-religiösen Recht erfolgen, indem der Mann der Frau den Scheidungsbrief (get) überreicht und diese ihn annimmt.[3] Zweitens eröffnen mehrere Staaten mit islamisch geprägter Rechtsordnung dem Ehemann einseitig die Möglichkeit zur Verstoßung der Ehefrau durch Ausspruch der Scheidungsformel (talāq).[4] Die Beteiligungsmöglichkeiten der Frau sind dabei sehr unterschiedlich ausgestaltet; die klassische Verstoßung, bei welcher der Mann die talāq-Formel – u.U. sogar in Abwesenheit der Frau – lediglich auszusprechen hat, wird aber zunehmend seltener und auch ein geistliches Schariagericht ist regelmäßig in das Verfahren eingebunden. Drittens können die Ehegatten ihre Ehe in einigen Rechtsordnungen einvernehmlich im Wege eines Vertrags beenden. Solche Scheidungsverträge kennen manche Staaten mit islamischem Recht, sie sind aber vor allem im ostasiatischen Rechtskreis[5] und seit einigen Jahren auch immer stärker in Mittel- und Südamerika[6] und neuerdings auch in manchen EU-Mitgliedstaaten (dazu sogleich) üblich.

Auch wenn die meisten dieser Scheidungen wenigstens formal in ein staatliches Verfahren eingebunden sind und eines staatlichen Beteiligungsakts – etwa in Form der Registrierung oder Bestätigung – bedürfen, spricht man in diesen Fällen von Privatscheidungen, weil die ehebeendende Wirkung maßgeblich durch den privaten Willensakt des Ehemannes oder beider Ehegatten herbeigeführt wird. Die Abgrenzung zu Verfahrensscheidungen kann aber durchaus Probleme bereiten (dazu unten mehr).

Eine Untergruppe bilden schließlich reine Privatscheidungen, die ganz auf eine staatliche Beteiligung verzichten. Diese kommen aber nur noch in einigen wenigen afrikanischen Stammesrechten vor[7] und sind für die Praxis nicht relevant.

[3] Dazu BGH FamRZ 1994, 434; BGH FamRZ 2008, 1409; Staudinger/Mankowski, Art. 17 EGBGB Rn 71 ff.; Elmaliah/Thomas, Die Anerkennung von Ehescheidungen aus dem außereuropäischen Ausland – am Beispiel der israelischen Scheidung, FamRZ 2018, 739.
[4] Dazu Staudinger/Mankowski, Art. 17 EGBGB Rn 63 ff.
[5] U.a. in Taiwan, Japan, Südkorea und Thailand. Überblick bei Staudinger/Mankowski, Art. 17 EGBGB Rn 59 ff. Aus der Rspr. vgl. BGH NJW 1982, 517; BGH NJW 1990, 2194; BGH FamRZ 1994, 434; BGH StAZ 2008, 318.
[6] U.a. in Nicaragua, Kuba, Brasilien und Kolumbien, vgl. KG FamRZ 2021, 504 Rn 16.
[7] Staudinger/Spellenberg, § 107 FamFG Rn 67.

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