Angenommen, ein Witwer W lernt wieder eine Frau F kennen, der er zügig eine stattliche Zuwendung macht. Viele Jahre später heiratet man. Die Ehe endet durch Tod oder wird geschieden und W stirbt kurze Zeit später. Nachlass ist keiner mehr vorhanden. Stehen den Kindern aus erster Ehe Pflichtteilsergänzungsansprüche nach § 2325 BGB zu?

Der BGH stellt ehebedingte Zuwendungen der in § 2325 BGB genannten Schenkung gleich, unabhängig davon, ob eine Einigung über die Unentgeltlichkeit vorliege.[68] Entgeltlich und damit pflichtteilsfest kann eine Zuwendung danach insbesondere sein, wenn sie sich im Rahmen einer nach den konkreten Verhältnissen angemessenen Alterssicherung hält oder sie angemessen langjährige Dienste nachträglich vergütet, die ein Ehegatte dem anderen vor und nach der Eheschließung geleistet hat, wobei noch viele Details strittig sind.[69] Festhalten lässt sich also, dass voreheliche Zuwendungen i.d.R. Pflichtteilsergänzungsansprüche auslösen,[70] es sei denn, die Zuwendung erfolgt entgeltlich.

Sind seit der Leistung des geschenkten Gegenstands 10 Jahre vergangen, bleibt die Schenkung unberücksichtigt, wobei nach § 2325 Abs. 3 S. 3 BGB bei Schenkungen an den Ehegatten die Frist nicht vor Auflösung der Ehe zu laufen beginnt.

Lässt sich die Regelung nun – über ihren Wortlaut hinaus – so verstehen, dass auch Schenkungen an den späteren Ehepartner von ihr erfasst sind?[71]

Das OLG Zweibrücken bejaht das unter Verweis auf den (angeblichen) Willen des Gesetzgebers.[72] Anders hingegen zu Recht das OLG Düsseldorf und die h.M.[73]: Schon der Wortlaut sei eindeutig, es liege eben keine Schenkung an einen Ehepartner vor. Bei vorehelichen Schenkungen sei eine Benachteiligungsabsicht gerade kein tragendes Motiv, weil die nichteheliche Lebensgemeinschaft jederzeit enden könne. Letztlich wäre dann sogar denkbar, dass eine an sich bereits abgelaufene 10-Jahresfrist durch spätere Eheschließung wieder neu entstehen würde.

[68] BGH NJW 1992, 564 unter Verweis auf den historischen Gesetzgeber; kritisch Staudinger/Olshausen, § 2325 BGB Rn 25 ff.
[69] BGH ZEV 2018, 274 m. Anm. Horn.; dazu auch Löhnig, Unbenannte Zuwendungen im Bereich der Pflichtteilsergänzung, NJW 2018, 1435; ausführlich OLG Schleswig ZEV 2014, 260, dazu kritisch Weidlich, Ehegattenzuwendung und Pflichtteilsergänzung in der Zugewinngemeinschaft, ZEV 2014, 345; zusammenfassend Horn, Ehegattenzuwendungen im Pflichtteilsergänzungsrecht, NJW 2020, 1124, der insbesondere klarstellt, dass jede einzelne Tilgung, die ein Ehegatte allein auf ein gesamtschuldnerisches Darlehen leistet, Pflichtteilsergänzungsansprüche auslöst.
[70] Ausdrücklich zur Anwendung auch auf eine nichteheliche Lebensgemeinschaft z.B. OLG Düsseldorf NJW-RR 1997, 1497 und explizit zur vorehelichen Zuwendung OLG Düsseldorf NJW 1996, 3156.
[71] Keine (analoge) Anwendung jedenfalls auf nichteheliche Lebensgemeinschaften: BVerfG NJW 1991, 217; BVerfG ZEV 2019, 79.
[72] OLG Zweibrücken FamRZ 1994, 1492.
[73] OLG Düsseldorf NJW 1996, 182; ausführliche Begründung mit verschiedenen Beispielsfällen v. Olshausen, Analoge Anwendung des § 2325 Abs. 3 Hs 2 BGB auf vor der Eheschließung vorgenommene Schenkungen an den späteren Ehegatten?, FamRZ 1995, 717; auch Staudinger/Olshausen, § 2325 BGB Rn 60.

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