In seiner früheren Entscheidung zur vorehelichen Zuwendung führt der BGH aus, es liege kein Grund vor, die Klägerin gegenüber dem gedachten Fall besserzustellen, dass die fraglichen Leistungen erst nach der Eheschließung erbracht worden sind. In diesem Falle unterlägen die dadurch geschaffenen Werte dem Zugewinnausgleich mit der damit einhergehenden grundsätzlich hälftigen Beteiligung beider Ehegatten. Daher sei ein fiktiver Zugewinnausgleich ohne voreheliche Zuwendung zu berechnen. Was sich im Vergleich zum tatsächlichen Zugewinnausgleich an "Mehr" ergebe, sei dann (grundsätzlich) die Höhe des ergänzenden Ausgleichsanspruchs.[55]

Zur Illustration soll auf das eingangs genannte Zahlenbeispiel zurückgekommen werden, nun aber mit der bei der Zugewinnausgleichsberechnung erforderlichen Indexierung. AV ist dabei das Anfangsvermögen, EV das Endvermögen, ZG der Zugewinn und ZGA der Zugewinnausgleichsanspruch. Es wird von einer Ehedauer von 2009 bis 2019 ausgegangen.

 
  fiktiver Zugewinn   realer Zugewinn
AV F 345.553,15 EUR (300.000 EUR indexiert)   575.921,91 EUR (500.000 EUR indexiert)
EV F 500.000,00 EUR   500.000 EUR
ZG F 154.446,85 EUR   0 EUR
       
AV M 230.368,76 EUR (200.000 EUR indexiert)[56]   0 EUR
EV M 0 EUR   0 EUR
ZG M 0 EUR   0 EUR
       
ZGA M 77.223,43 EUR   0 EUR

Das "Mehr" an Zugewinn bei Zuwendung innerhalb der Ehe und die Höhe des ergänzenden Ausgleichsanspruchs wären dann 77.223,43 EUR – 0 EUR = 77.223,43 EUR, also im hiesigen Beispiel deutlich weniger als eine "hälftige Beteiligung". Das ist immer dann der Fall, wenn sich bei F (z.B. durch Wertverfall oder schlicht die Indexierung) kein Zugewinn ergibt. In einer solchen Konstellation könnte man – spielte der Fall innerhalb einer Ehe – prüfen, ob zusätzlich zum Zugewinnausgleich ein Anspruch aus Wegfall der Geschäftsgrundlage besteht.

Wandelt man den Fall ab und unterstellt, dass die Immobilie während der Ehe im Wert von 500.000 EUR auf 700.000 EUR gestiegen ist, ergibt sich folgendes Bild:

 
  fiktiver Zugewinn   realer Zugewinn
AV F 345.553,15 EUR (300.000 EUR indexiert)   575.921,91 EUR (500.000 EUR indexiert)
EV F 700.000,00 EUR   700.000,00 EUR
ZG F 354.446,85 EUR   124.078,09 EUR
       
AV M 230.368,76 EUR (200.000 EUR indexiert)   0 EUR
EV M 0 EUR   0 EUR
ZG M 0 EUR   0 EUR
       
ZGA M 177.223,43 EUR   62.039,05 EUR

Das "Mehr" an Zugewinn bei Zuwendung innerhalb der Ehe und die Höhe des ergänzenden Ausgleichsanspruchs wären dann 177.223,43 EUR – 62.039,05 EUR = 115.184,38 EUR. Das entspricht der Hälfte der zum Stichtag Anfangsvermögen indexierten später erfolgten Zuwendung (230.368,76 EUR : 2 = 115.184,38 EUR).

Wie entwickelt sich die Berechnung, wenn der reale Zugewinn sinkt, M diesbezüglich also keinen Anspruch mehr hat? Dafür soll ausgehend von der Abwandlung zugrunde gelegt werden, dass M real denselben Zugewinn erzielt hat wie F:

 
  fiktiver Zugewinn   realer Zugewinn
AV F 345.553,15 EUR (300.000 EUR indexiert)   575.921,91 EUR (500.000 EUR indexiert)
EV F 700.000,00 EUR   700.000,00 EUR
ZG F 354.446,85 EUR   124.078,09 EUR
       
AV M 230.368,76 EUR (200.000 EUR indexiert)   0 EUR
EV M 124.078,09 EUR   124.078,09 EUR
ZG M 0 EUR   124.078,09 EUR
       
ZGA M 177.223,43 EUR   0 EUR

M würde dann 177.223,43 EUR – 0 EUR = 177.223,43 EUR an "Mehr" als ergänzenden Ausgleichsanspruch erhalten, also deutlich mehr als die Hälfte der (auch indexierten) Zuwendung.[57]

Es ist also keineswegs so, dass ein Ehegatte, der aus seinem Anfangsvermögen dem anderen Ehegatten etwas zuwendet, über den Zugewinnausgleich immer hälftig profitiert. Der Ausgleich kann, wie gezeigt, sowohl niedriger als auch höher sein. Ist er niedriger, ist – wenn der Sachverhalt rein innerehelich spielt – an einen zusätzlichen Anspruch aus Wegfall der Geschäftsgrundlage zu denken.

Richtigerweise ist der BGH also dahingehend zu verstehen, dass die Höhe des ergänzenden Ausgleichsanspruchs für eine voreheliche Zuwendung nicht über demjenigen Betrag liegen darf, der sich ergeben würde, wenn die Zuwendung innerehelich erfolgt wäre. Da innerehelich die Zuwendung vorrangig über den Zugewinnausgleich, ggf. aber auch ergänzend über den Wegfall der Geschäftsgrundlage eine ehebedingte Zuwendung betreffend ausgeglichen würde, gilt folgende Formel für die Höhe des ergänzenden Ausgleichsanspruchs:

 
ergänzender Ausgleichsanspruch (fiktiver ZGA + etwaiger Anspruch aus WGG bzgl. ehebedingte Zuwendung) – realer ZGA
[55] BGH NJW 1992, 427; ähnlich zur vorehelichen "Schwieger"elternzuwendung KG NJW-RR 2007, 365.
[56] Nach BeckOGK/Siede, § 1372 BGB Rn 271.3 ist streitig, ob diese Hinzurechnung zu erfolgen hat. M.E. kann der BGH, wenn er konsequent eine fiktive Betrachtung (Zuwendung nach Eheschließung) fordert, nicht anders verstanden werden als hier dargestellt; so wohl auch Jüdt, Zugewinn auch unter Einbeziehung der "Verlobungszeit"?, FuR 2017, 118 (124) mit Rechenbeispiel.
[57] Rechenbeispiel zur ehebedingten Zuwendung auch bei Schulz/Hauß, Vermögensauseinandersetzung, Rn 1578.

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