Das BVerfG hat bei drei Verfassungsbeschwerden[6] es gebilligt, dass wegen der gesteigerten Unterhaltspflicht von Eltern gegenüber ihren minderjährigen Kindern nicht nur tatsächliche, sondern auch fiktiv erzielbare Einkünfte berücksichtigt werden können, wenn der Unterhaltsverpflichtete eine ihm mögliche und zumutbare Erwerbstätigkeit unterlässt, obwohl er diese "bei gutem Willen" ausüben könnte. Nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit haben die Gerichte jedoch zu prüfen, ob der Unterhaltspflichtige in der Lage ist, den beanspruchten Unterhalt zu zahlen und nicht der Grundsatz der Handlungsfreiheit nach Art. 2 Abs. 1 GG verletzt wird. Die Zurechung fiktiver Einkünfte setzt zum einen voraus, dass subjektiv Erwerbsbemühungen des Unterhaltsverpflichteten fehlen. Zum anderen müssen die Einkünfte von ihm objektiv erzielbar sein, was von seinen persönlichen Voraussetzungen, wie Alter, berufliche Qualifikation, Erwerbsbiographie und Gesundheitszustand sowie vom Vorhandensein entsprechender Arbeitsstellen abhängt. Die Entscheidung muss eine konkrete, tragfähige Begründung enthalten, dass der Unterhaltsverpflichtete bei zumutbaren Bemühungen das erforderliche Einkommen erzielen kann, um den titulierten Unterhalt zahlen zu können. Eine Obliegenheit zur Erzielung von Nebeneinkünften ist nur anzunehmen, wenn und soweit dem Unterhaltsverpflichteten die Aufnahme einer weiteren Erwerbstätigkeit unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls zumutbar ist und ihn nicht unverhältnismäßig belastet.

[6] BVerfG, Beschl. je v. 18.6.2012 – 1 BvR 774/10; 1530/11; 2867/11, FamRZ 2012, 1283 (m. Anm. der Redaktion).

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