Anmerkung zu BVerfG, Beschl. v. 25.1.2011 – 1 BvR 918/10

Was manche schon geahnt hatten, ist nun Gewissheit: Das BVerfG hat die Dreiteilungsmethode des BGH für verfassungswidrig erklärt.[1] Zur Frage der Verteilungsgerechtigkeit im Ehegattenunterhaltsrecht äußert sich die Entscheidung allerdings nur relativ knapp. Wer hier grundlegende Ausführungen erwartet hatte, mag enttäuscht sein. Das BVerfG stellt recht beiläufig klar, dass einander nachfolgende Ehen durch Art. 6 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG gleichrangig und gleichwertig geschützt würden. Damit allein lässt sich die Rechtsprechung des BGH aber nicht rechtfertigen. Kern der Entscheidung ist vielmehr, dass der BGH mit seiner Auslegung von § 1578 BGB, seiner These von den wandelbaren Lebensverhältnissen und der Dreiteilungsmethode, die Grenzen erlaubter richterlicher Rechtsfortbildung überschritten hat. Es geht eben nicht (nur) darum, eine gerechte Lösung für die Fälle mit mehreren bedürftigen (Ex-)Ehefrauen zu finden. De lege lata geht es primär darum, das geltende Recht anzuwenden. Das BVerfG findet dafür klare Worte: Die Dreiteilungsmethode lasse sich "mit keiner der anerkannten Auslegungsmethoden" rechtfertigen. Sie ergebe sich weder aus dem Wortlaut[2] noch aus der Systematik des Gesetzes und entspreche überdies nicht den Zielen der Unterhaltsrechtsreform, die den Tatbestand von § 1578 BGB unverändert gelassen habe. Zwar muss man einwenden, dass der Wortlaut des § 1578 BGB nicht wenige Auslegungsspielräume lässt. Aber die Subsumtion von Unterhaltspflichten, die erst infolge der Scheidung bzw. Wiederverheiratung entstehen,[3] unter den Begriff der "ehelichen Lebensverhältnisse" schoss doch über die Grenzen des Normwortlauts hinaus.[4] Es überzeugte zudem nicht, dass der Bedarf der geschiedenen Ehefrau mittelbar auch davon abhing, was die neue Ehefrau des Mannes verdient.[5] Weiterhin kritisiert das BVerfG zu Recht, dass der BGH mit seiner Rechtsprechung die Grenzen zwischen Bedarfsermittlung einerseits und Leistungsfähigkeit bzw. Rangregelung andererseits völlig verschwimmen ließ.[6] Man musste in der Tat von einem "Systemwechsel" praeter legem sprechen.

So stellt sich die Frage, welche Konsequenzen die Entscheidung des BVerfG für das Ehegattenunterhaltsrecht haben wird. Praktische Konsequenz wird zunächst sein, dass betroffene Unterhaltsberechtigte (vor allem Frauen) nach Möglichkeiten suchen werden, vorhandene Unterhaltstitel abzuändern und den neuen bzw. alten Berechnungsgrundsätzen anzupassen. Auch geänderte Rechtsprechung bildet insofern einen Abänderungsgrund im Sinne von § 238 Abs. 1 FamFG.[7] Bei außergerichtlichen Titeln werden, soweit die Vereinbarungen auf Grundlage der Drittelmethode basieren, regelmäßig die Voraussetzungen für den Wegfall der Geschäftsgrundlage erfüllt sein.[8]

Schon im Rahmen der Abänderungsverfahren wird zu klären sein, wie die "Zweitfamilienfälle" nun zu lösen sind. Nach den Vorgaben des BVerfG dürfte feststehen, dass sich die Gerichte wieder auf die Trennung von Bedarfsermittlung einerseits und Leistungsfähigkeit bzw. Rangfragen andererseits zu besinnen haben. Für die Bedarfsermittlung bildet der Halbteilungsgrundsatz und die Orientierung an den "ehelichen Lebensverhältnissen" des § 1578 BGB den Ausgangspunkt. Dabei bleibt auch die sog. Surrogatrechtsprechung des BGH zu beachten, die freilich mit dafür verantwortlich ist, dass andererseits wieder nach Beschränkungsmöglichkeiten gesucht wird.

Die These von den wandelbaren ehelichen Lebensverhältnissen kann grundsätzlich fortbestehen. Der Ansatz, dass nicht auf Dauer statisch an die Verhältnisse im Zeitpunkt der Scheidung angeknüpft werden kann, erscheint durchaus richtig und wird vom BVerfG auch nicht infrage gestellt. Es ist daher unverändert davon auszugehen, dass die vorhersehbaren weiteren Entwicklungen der Einkommensverhältnisse bei der Bedarfsermittlung zu berücksichtigen sind. Das betrifft etwa die zu erwartende Beförderung, den Wegfall von prägenden Schulden[9] oder die Versetzung in den Ruhestand. Der Bedarf kann sich auf diese Weise erhöhen oder auch absinken. Der Ehegatte soll letztlich nicht anders und nicht besser stehen als er bei Fortsetzung der Ehe gestanden wäre.[10] Das bedeutet indes, dass eine konsequente Differenzierung danach stattfinden muss, ob die jeweiligen Veränderungen einen Ehebezug aufweisen oder nicht.[11] Umstände, die ihre Ursache allein in der neuen Ehe haben oder in keinem Zusammenhang mit der vorangegangenen Ehe stehen, können die Bedarfsermittlung nicht beeinflussen. Daher sind der Splittingvorteil[12] aus der neuen Ehe[13] oder der nacheheliche Karrieresprung[14] allein der neuen Ehe zuzurechnen und bei § 1578 BGB nicht zu berücksichtigen.

Zu überlegen ist, welche Rolle § 1578b BGB spielen wird, zumal das BVerfG diese Norm mehrfach in die Betrachtungen einbezogen hat. Tatsächlich ist § 1578b BGB in engem Zusammenhang mit dem Halbteilungsgrundsatz zu sehen, den auch das BVerfG wiederum betont:[15] Leistungen, die die Ehegatten im Rahm...

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