Dr. Mathias Grandel

Im neuen FamFG hat der Gesetzgeber mit einem "Weichzeichner" die gewohnten Begriffsbestimmungen retouchiert. Wenn ein Gesetz zur Enteignung von Bankaktionären als "Rettungsübernahmegesetz" verharmlost wird, ist der Ehrgeiz des Gesetzgebers verständlich, auch im familienrechtlichen Verfahren Harmonie durch beschönigende Wortwahl zu fördern. Aus dem bedrohlichen Begriff der "Klage" wird im FamFG der harmlosere "Antrag". Es wird kein Urteil mehr gefällt, sondern nur noch ein Beschluss bekanntgegeben. Parteien sind nur noch Beteiligte. In § 113 V FamFG, der ohne jede Frage als zentrale Vorschrift im FamFG angesehen werden muss, hat der Gesetzgeber akribische Mühe darauf verwendet, zu verhindern, dass weiterhin Begriffe wie "Unterhaltsklage" oder "Kläger" und "Beklagter" verwendet werden. Im Gesetzentwurf zur Reform des Zugewinnausgleichs ist vorgesehen, dass aus "Wohnungszuweisungssachen" schlichte "Ehewohnungssachen" werden. "Zuweisung" klingt ja auch zu sehr nach richterlicher Entscheidung. Man spürt förmlich, wie sich dadurch eine harmonische, die Einigungsbereitschaft der Parteien (Verzeihung, natürlich der Beteiligten) fördernde Grundstimmung im Gerichtssaal (in Zukunft wohl besser "Saal der Güte" genannt) verbreitet.

Bedauerlicherweise sind dem Gesetzgeber bei der Begriffskosmetik aber unerklärliche Pannen unterlaufen. Nicht zum Zeitgeist passt die brachiale Wortschöpfung der "Familienstreitsache". Von der Begriffsmediation verschont geblieben ist auch das hässliche Wort der "Gewaltschutzsachen", das so gar nicht in die Begriffslandschaft des FamFG passen will. Dem Gesetzgeber werden doch die Ideen nicht ausgegangen sein? Hier kann geholfen werden. Statt "Gewaltschutzsachen" könnte man schlichtend von "interpersonellen Konfliktbereinigungssachen" sprechen. Die "Familienstreitsache" wäre besser mit der bislang gebräuchlichen Bezeichnung der "ZPO-Familiensache" verschleiert. Allerdings müsste man dann zuerst die ZPO in "Zivilverfahrensordnung" (ZVO) umwidmen. Zugegeben, klingt ein wenig nach StVO, erfüllt aber den Zweck, den negativ besetzten Begriff "Prozess" zu vermeiden. Das sollte für den Gesetzgeber ein Leichtes sein und wäre sicher der nächste konsequente Schritt in der Entwicklung. Sachliche Gründe, warum es im Trennungsunterhalt ein "Verfahren" ist, während es im Zivilprozess ein "Rechtsstreit" sein darf, sind nicht auszumachen. Wenn sich die Verweisung auf die ZPO nicht umgehen lässt, sollte auch dort der Hebel zum Besseren angesetzt werden. Anstelle der abschreckend hoheitlich klingenden "Ladung zum Termin" der mündlichen Verhandlung (§ 214 ZPO, § 113 I FamFG) könnte eine besänftigende "Einladung zum Runden-Tisch-Gespräch" treten. Auch § 113 V FamFG sollte in jedem Fall noch wie folgt erweitert werden:

„Bei der Anwendung der Zivilprozessordnung tritt an die Stelle der Bezeichnung

6. Rechtsanwalt die Bezeichnung Gütebeistand

7. Familienrichter die Bezeichnung Schlichtungsobmann.

8. Sachverständiger die Bezeichnung Konsensassistent“

Alle Begriffskosmetik kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass dann, wenn zwei Menschen über Ansprüche streiten, dies eben ein Streit ist und dass es in dieser Situation nichts "Einverständliches von vorneherein" gibt, dass zuerst "die Arbeit des Rechts" getan werden muss (Kilger, AnwBl. 2006, 453, 454). Das Austragen von Konflikten ist notwendiger Bestandteil eines Aushandelns, eine erzwungene Einigung nicht besser als eine gerichtliche Entscheidung.

Dr. Mathias Grandel, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Familienrecht, Augsburg

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