I. [1] Der am … 1976 geborene Kindesvater, und die am … 1978 geborene Kindesmutter heirateten am … 2000 und trennten sich spätestens am … 2020. Aus der Ehe sind die fünf Kinder A, B, C, D und E hervorgegangen.

[2] A wohnt in einer Wohngemeinschaft mit der Kindesmutter. B, C und D wohnen seit der Trennung der Kindeseltern bei dem Kindesvater. Bezüglich E wurde bis zum … 2023 ein Wechselmodell praktiziert.

[3] Die Ehe der Kindeseltern wurde durch Beschluss des Amtsgerichts vom … 2022 geschieden. Im Beschwerdeverfahren xxx einigten sich die Kindeseltern im Termin vom … 2023 dahingehend, dass der Kindesvater an die Kindesmutter monatlichen nachehelichen Unterhalt in Höhe von xxx EUR für den Zeitraum Februar 2023 bis einschließlich Januar 2028 zahlt.

[4] Mit dem angegriffenen Beschluss hat das Amtsgericht nach Anhörung aller Beteiligter sowie Einholung eines psychologischen Gutachtens der Sachverständigen Diplom-Psychologin und Fachpsychologin für Rechtspsychologie M. und Einholung eines psychiatrischen Gutachtens des Sachverständigen X dem Kindesvater das Aufenthaltsbestimmungsrecht, die Sorge für die Gesundheit und die Sorge für die schulischen Angelegenheiten für D und E übertragen und ausgesprochen, dass die gemeinsame elterliche Sorge im Übrigen fortbesteht. Zur Begründung hat das Amtsgericht im Wesentlichen ausgeführt, dass nach dem Ergebnis der Ermittlungen zu erwarten sei, dass die Aufhebung der gemeinsamen Sorge und die Übertragung auf den Vater dem Wohl der Kinder am besten entspreche, § 1671 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB. In Bezug auf E gelte zwar grundsätzlich, dass dem von ihm geäußerten Willen eine erhebliche Bedeutung zuzumessen sei. Indes könne der von E geäußerte Wille eines Wechselmodelles und einer gemeinsamen elterlichen Sorge nicht uneingeschränkt als maßgebliche Entscheidungsgrundlage angenommen werden. Nach den Feststellungen der Sachverständigen M. sei die Kindesmutter nur eingeschränkt in der Lage, die kindlichen Bedürfnisse adäquat einzuschätzen. Der Kindesvater werde nach den Feststellungen der Sachverständigen als hinreichend zuverlässig und kooperativ hinsichtlich der bestehenden kindlichen Bedürfnisse von E eingeschätzt. Diese Einschätzung werde auch von der Stellungnahme des Jugendamtes und der SPFH gestützt. Nach der Mitteilung des Jugendamtes habe auch der zuletzt durchgeführte Hausbesuch gezeigt, dass E durch den Elternkonflikt stark belastet sei, und zwar derart, dass er versuche, seine Mutter zu schützen und es "allen recht zu machen". Auch nach dem Bericht der SPFH zeige sich, dass die Kindesmutter nicht in der Lage sei, ihre eigenen Bedürfnisse hintenanzustellen und flexibel auf abweichende Situationen im Interesse ihres jüngsten Sohnes zu reagieren wie zum Beispiel im Fall von Verhinderungssituationen im Rahmen des Wechselmodelles. Auch die fehlende Konsensebene in Bezug auf die Verständigung auf einen Kinderarzt belege, dass ein Konsens in dieser Elternbeziehung im Interesse des Kindes nicht möglich sei. Nicht zuletzt habe auch die Verfahrensbeiständin festgestellt, dass zu Lasten von E eine Parentifizierung erfolge und dass eine Verständigung auf Elternebene nicht möglich bzw. nicht gut herstellbar sei. Der Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie X. habe für beide Elternteile eine Anpassungsstörung festgestellt.

[5] Gegen diese ihrem Verfahrensbevollmächtigten am 30.3.2023 zugestellte Entscheidung richtet sich die am 18.4.2023 beim Amtsgericht eingegangene Beschwerde der Kindesmutter vom gleichen Tag. Nachdem die Kindesmutter die für den Sohn D ergangene Sorgerechtsentscheidung akzeptiert hat, ist vom Beschwerdeverfahren nur noch der jüngste Sohn E betroffen. Insoweit macht die Kindesmutter geltend, die erstinstanzliche Entscheidung missachte den durchgehend von E erklärten Kindeswillen, der sich dahingehend geäußert habe, dass er im Wechselmodell betreut bleiben möchte. E’s Wille, bei beiden Eltern leben zu wollen, sei eindeutig. Nach der Entscheidung des Familiengerichts habe sich dieser Wille nicht nur verfestigt, sondern sogar dahingehend entwickelt, das E überwiegend bei ihr leben möchte. Die Voraussetzungen des § 1671 Abs. 2 BGB lägen nicht vor, da nicht festzustellen sei, dass das gemeinsame Sorgerecht nicht mehr in Betracht komme.

[6] Dass ihr im Gegensatz zu dem Kindesvater eine nicht hinreichende Bindungstoleranz angelastet werde, sei geradezu absurd, habe sie doch die Entscheidung der übrigen Kinder, die den Wunsch geäußert haben, beim Vater zu bleiben, akzeptiert. Dem angefochtenen Beschluss fehle es angesichts des schweren Eingriffs in Art. 6 Abs. 2 GG an der erforderlichen Begründungstiefe.

[7] Die Kindesmutter beantragt,

1. das gemeinsame Sorgerecht bezüglich E bei beiden Eltern zu belassen, hilfsweise

2. das Aufenthaltsbestimmungsrecht, die Sorge für die Gesundheit und die Sorge für die schulischen Angelegenheiten betreffend E auf sie zu übertragen.

[8] Der Kindesvater verteidigt die angefochtene Entscheidung und beantragt, die Beschwerde der Kindesmutter zurückzuweise...

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