Jörg Kleinwegener

Wie stellen wir uns den späten Abend des 21. Dezember 2007 in Berlin vor? Es steht dort ein großes, herrschaftliches Gebäude. Verschiedene Fenster sind erleuchtet. Hinter einem dieser Fenster, mit dicken Vorhängen versehen, sitzt ein Herr in den besten Jahren in gehobener Freizeitkleidung hinter seinem Schreibtisch. In der rechten Hand hält er ein sehr teures Schreibwerkzeug. Vor sich hat er einen Stapel Unterlagen. Er denkt nach. Plötzlich ertönt aus nicht allzu weiter Ferne eine Stimme mit den Worten: "Horst, komm jetzt; Essen wird kalt!" Mit einem widerwilligen: "Jahaa!" antwortet der Mann, unterzeichnet ein Schriftstück, schaltet die Schreibtischlampe aus und verlässt den Raum. Dies war die Geburtsstunde des Unterhaltsrechts, sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen.

Wenn man den Werdegang bzw. die "Schwangerschaft" dieses Unterhaltsrechts nachvollzieht (vgl. Schnitzler, FF 2007, 285 und Menne, ZFE 2008, 1) und die Kürze der Zeit, die uns verbleibt, um uns darauf einzustellen, kann man etwas verzweifeln. Nicht nur, dass dieses Unterhaltsrecht die Gleichberechtigung der geschiedenen Ehefrauen vorschreibt und uns in die Schwierigkeit versetzt, bei einer völligen Umkehr der Darlegungs- und Beweislast die Bedürftigkeit von Ehefrauen auch im gesetzten Alter darzulegen, versteckt dieses Recht noch weitere "Fallstricke".

Dies kümmert in erster Linie jetzt die Anwaltschaft. Es ist jedenfalls unsere Aufgabe, da wir uns im Parteiprozess befinden und das FGG-Reformgesetz noch nicht Wirklichkeit geworden ist, hier dem sachverständigen Tatrichter die neue Gesetzeslage in Form eines Tatsachenvortrags zu unterbreiten. Dies kann leider nicht bundeseinheitlich geschehen, gegen den Wunsch des Gesetzgebers. Denn die Unterhaltsrechtlichen Leitlinien der verschiedenen Oberlandesgerichte sind beispielsweise in der Errechnung des Ehegattenunterhaltes nicht einheitlich. Ging man nach der Lektüre der Gesetzesmaterialien davon aus, dass bei der Berechnung des Ehegattenunterhaltes der Zahlbetrag des Kindesunterhaltes in Abzug zu bringen sei, um hier mehr Liquidität für die Ehefrauen zu schaffen, so zeigt ein Blick in die Süddeutschen Leitlinien, dass dort zwar der Zahlbetrag zu berücksichtigen ist, im Bezirk des OLG Stuttgart hingegen der Tabellenbetrag. Dies gilt auch für den 7. Familiensenat des OLG Düsseldorf, wohingegen das OLG Hamm wieder den Tabellenunterhalt präferiert. Bei der Mangelfallberechnung geht man dann aber wieder auf den Zahlbetrag zurück, um weitere unterhaltsberechtigte Ehefrauen vielleicht noch in den Vorzug von ein paar Cent nachehelichen Unterhalt zu versetzen. Ein Wohnsitzrecht, mit welchem die Anwaltschaft wird leben müssen. Interessant wird es auch, wenn gem. § 1585b BGB n.F. Unterhalt für die Vergangenheit geltend gemacht wird. Es reicht jetzt die sog. Stufenmahnung aus. Zu berücksichtigen ist, dass in der Regel nur für die ein Jahr vor Rechtshängigkeit liegende Zeit der Unterhalt verlangt werden kann. Wer also ein Prozesskostenhilfe-Prüfungsverfahren vorschaltet bzw. vorschalten muss, ist gut beraten, wenn er entsprechende Fristen notiert und ggf. zeitgerecht Untätigkeitsbeschwerde erhebt bzw. sieht, dass er in den Genuss von Prozesskostenhilfe kommt und dann Rechtshängigkeit herbeigeführt wird, um nicht die eigene Haftpflicht-Versicherung bemühen zu müssen. Vorbei sind auch die angenehmen Zeiten, in denen man in einem Trennungsunterhaltsverfahren in Form eines Vergleichs (gebührenträchtig) sich auch über den nachehelichen Unterhalt einigen konnte. § 1585c BGB n.F. setzt dem einen Schlussstrich. Denn solche Vereinbarungen können nur in "Verfahren in Ehesachen" abgeschlossen werden, um Rechtswirksamkeit zu erlangen. Bergschneider hat in FamRZ 2008, 17 ff. zutreffend darauf hingewiesen, dass hier § 606 I ZPO zu beachten ist; es muss sich um ein Verfahren auf Scheidung oder Aufhebung einer Ehe handeln.

Wie schlussendlich sog. Alttitel abzuändern sind, nach welchen Kriterien und unter welchen Gesichtspunkten bzw. nach welchen Billigkeitsgesichtspunkten, darüber schweigen sich bisher die "Geister" aus. Die Normen in der Gesetzesnovelle werden in den kommenden Monaten entsprechende Anwendung finden müssen. Ob es dann hilfreich ist, dass konkrete Altersphasenmodelle, wie beispielsweise nach Ziff. 17.1.1. der Unterhaltsrechtlichen Leitlinien des OLG Hamm, Anwendung finden sollen, bedarf der Diskussion. Von den erheblichen Fragen und Zweifeln in der Anwaltschaft, wie beispielsweise bei bisher dynamisierten Unterhaltstiteln angesichts der nicht mehr einheitlichen Einkommensstufen nach der "neuen Düsseldorfer Tabelle" zu verfahren ist, ganz zu schweigen. Es mag sein, dass dies alles ganz einfach ist und man sich nur das Gesetz einmal in Ruhe durchlesen muss, nur: Der betroffene Bürger wird dies nicht immer verstehen. Der betroffene Anwalt wird getreu der Statistik in 80 % der Fälle dann einen Beratungshilfeschein bzw. ein Prozesskostenhilfeformular entgegennehmen und sich dann mit dem Einsatz aller Kr...

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