Der Zugewinnausgleich ist keine spezial-gesetzliche Regelung.[1] Auch zwischen Ehegatten können alle schuldrechtlichen Einzelansprüche bestehen. Beim Forderungsinhaber sind sie als Aktiva, bei der Gegenseite als Passiva in die Bilanz einzustellen.[2] Weswegen das Amtsgericht von dieser seit Jahrzehnten unstrittigen Vorgehensweise abgewichen war, bleibt rätselhaft. Da derartige Sachgestaltungen in der Praxis häufig vorkommen, soll noch einmal auf die wesentlichen Probleme, die sich regelmäßig bei den gegenseitigen Verbindlichkeiten der Eheleute ergeben können, eingegangen werden.[3]

1. Zunächst stellt sich die Frage, ob solche Ansprüche sinnvollerweise überhaupt geltend zu machen sind. Eine gewonnene Klage in der Forderungssache erweist sich nämlich oftmals als Pyrrhussieg. Die Forderung ist einerseits in der Zugewinnausgleichsbilanz als Aktiva einzustellen. Sie erhöht damit das Vermögen. Andererseits vermindert sie als Passiva das Vermögen auf der Gegenseite. Damit wird spätestens über den Zugewinn die Forderung in der Regel neutralisiert.[4]

Beispielsfall:

Die Eheleute Becker haben jeweils ein Endvermögen von 30.000,00 EUR. Herrn Becker steht gegen seine Ehefrau ein Schadensersatzanspruch in Höhe von weiteren 20.000,00 EUR zu.

  • Bestünde kein Ausgleichsanspruch, wäre der Zugewinn mit Null anzusetzen. Liquiditätsmäßig behielten beide Parteien jeweils ihre 30.000,00 EUR.
  • Die Lösung unter Einschluss des Schadensersatzanspruches sieht wie folgt aus:

    Herr Becker hat ein Vermögen von 50.000,00 EUR (30.000,00 + Forderung), Frau Becker ein solches von 10.000,00 EUR (30.000,00 Vermögensbestand – 20.000,00 Verbindlichkeit). Die Differenz (40.000,00): 2 ergibt 20.000,00 EUR. Macht Herr Becker seine Forderung geltend, bekommt er diese zwar ausgezahlt; er muss andererseits aber genau diesen Betrag an seine Ehefrau über Zugewinn auskehren.

Viel Aufwand mit entsprechenden Kosten wird betrieben. Dies ist juristischer Lärm um nichts.

2. Trotz dieser Ausgangssituation kann es u.a. bei folgenden Fallkonstellationen sinnvoll sein, solche Forderungen doch geltend zu machen:

a) Wie bei jeder anderen Forderung muss bei der Bewertung des Vermögensgegenstandes die Durchsetzbarkeit des Anspruches beachtet werden. Ist zweifelhaft, ob die Forderung überhaupt gegen den anderen Ehepartner beigetrieben werden kann, ist die Wahrscheinlichkeit der Durchsetzbarkeit oder Inanspruchnahme zu prüfen.[5] Der Richter muss hierbei gem. § 287 ZPO schätzen. Damit wird für die Zugewinnberechnung die Forderung evtl. mit einem niedrigeren Wert als dem Nennwert in die Bilanz eingestellt. Solche Abwägungen sind hingegen dem Zivilrichter, der einen Anspruch (nominal) ausurteilen muss, fremd. Die Forderung kann aber auf Jahre hinaus vollstreckt werden. Möglicherweise bessern sich im Nachhinein die Vermögensverhältnisse. Die ursprüngliche (negative) Prognose zum Zeitpunkt der Rechtshängigkeit des Scheidungsverfahrens kann sich als falsch oder zumindest überholt erweisen. In dem vom OLG Düsseldorf entschiedenen Fall wirkte sich diese Problematik nicht aus. Die Forderung war tituliert. Die Ehefrau hatte  sie im Nachhinein (sogar mit Zinsen) bezahlt. Zu Recht wurde der Anspruch daher mit 100 % auf beiden Seiten eingestellt.

b) Der Zugewinnausgleich wird im Scheidungsverfahren mit Rechtskraft der Scheidung fällig. Er ist (erst) dann zahlbar (§ 1378 Abs. 3 Satz 1 BGB). Anders sieht dies bei der Forderung aus. Diese ist sofort zu entrichten. Manchmal kann es durchaus einem taktischen Kalkül entsprechen, möglichst früh aus einem solchen Anspruch die Vollstreckung einzuleiten. Hierdurch kann die Gegenseite unter Druck gesetzt werden. Bei Grundbesitz besteht außerdem die Chance, auf Grund des Titels eine Sicherungshypothek eintragen zu lassen. Ggf. kann sogar nach Pfändung des Auseinandersetzungsanspruches unter den Miteigentümern die Teilungsversteigerung betrieben werden. Diese Versteigerung unterliegt nicht den Beschränkungen des § 1365 BGB, welche ansonsten jedenfalls bis zur Rechtskraft der Scheidung existieren.[6]

c) Es kann Fallgestaltungen geben, bei denen kein sonstiges Vermögen oder Anfangsvermögen vorhanden ist. Hier tritt der Neutralisierungseffekt gerade nicht ein.

Abwandlung des Beispielsfalls:

Frau Becker besaß Anfangsvermögen von 20.000,00 EUR.

  • Zugewinnausgleichsrechtlich sieht die Situation wie folgt aus:

    Bei Herrn Becker verbleibt ein Vermögen von 50.000,00 EUR. Der Zugewinn bei Frau Becker beträgt  30.000,00 EUR – 20.000,00 EUR (Anfangsvermögen) – 20.000,00 EUR Verbindlichkeit = –10.000,00 EUR. Dieser Betrag ist aber wegen § 1375 Abs. 1 S. 2 BGB auf Null zu beschränken. Der Zugewinnausgleichsanspruch beträgt daher 25.000,00 EUR.

  • Liquiditätsmäßig hat Herr Becker zum Schluss damit 25.000,00 EUR, Frau Becker 35.000,00 EUR, nämlich die 30.000,00 EUR aus ihrem eigenen Endvermögen abzüglich der zu zahlenden Verbindlichkeit von 20.000,00 EUR zuzüglich des Zugewinnanspruchs von 25.000,00 EUR. Ihr Anfangsvermögen kann Frau Becker in diesem Fall nur zu ½ wirtschaftlich ei...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge