Entscheidungsstichwort (Thema)

Freier Warenverkehr. Artikel 28 EG und 30 EG. Maßnahmen gleicher Wirkung. Haustürgeschäft. Verkauf von Silberschmuck. Verbot

 

Beteiligte

A-Punkt Schmuckhandel

A-Punkt Schmuckhandels GesmbH

Claudia Schmidt

 

Tenor

Artikel 28 EG steht einer nationalen Bestimmung nicht entgegen, mit der ein Mitgliedstaat in seinem Hoheitsgebiet den Vertrieb von Silberschmuck und das Sammeln von Bestellungen auf Silberschmuck im Wege von Haustürgeschäften verbietet, wenn eine solche Bestimmung für alle betroffenen Wirtschaftsteilnehmer gilt und sofern sie den Absatz der inländischen Erzeugnisse und der Erzeugnisse aus anderen Mitgliedstaaten rechtlich wie tatsächlich in der gleichen Weise berührt. Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, zu prüfen, ob angesichts der Umstände des Ausgangsverfahrens die Anwendung der nationalen Bestimmung geeignet ist, den Marktzugang für Erzeugnisse aus anderen Mitgliedstaaten zu verhindern oder stärker zu erschweren, als dies bei inländischen Erzeugnissen der Fall ist, und gegebenenfalls zu prüfen, ob die betreffende Maßnahme durch ein im Allgemeininteresse liegendes Ziel im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofes oder eines der in Artikel 30 EG genannten Ziele gerechtfertigt ist und ob sie zu diesem Ziel in einem angemessenen Verhältnis steht.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Artikel 234 EG, eingereicht vom Landesgericht Klagenfurt (Österreich) mit Entscheidung vom 13. August 2004, beim Gerichtshof eingegangen am 20. Oktober 2004, in dem Verfahren

A-Punkt Schmuckhandels GesmbH

gegen

Claudia Schmidt

erlässt

DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Rosas sowie der Richter J.-P. Puissochet und U. Lõhmus (Berichterstatter),

Generalanwalt: P. Léger,

Kanzler: R. Grass,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • von Frau Schmidt, vertreten durch Rechtsanwalt A. Seebacher,
  • der österreichischen Regierung, vertreten durch C. Pesendorfer als Bevollmächtigte,
  • der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch B. Schima als Bevollmächtigten,

aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

1 Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Artikel 28 EG und 30 EG.

2 Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits, in dem die A-Punkt Schmuckhandels GesmbH (im Folgenden: A-Punkt) gegen Frau Schmidt auf Unterlassung des Vertriebs von Silberschmuck im Wege von Haustürgeschäften klagt.

Nationaler rechtlicher Rahmen

3 § 57 Abs 1 der österreichischen Gewerbeordnung (BGBl. 194/1994, im Folgenden: GewO), der in Bezug auf bestimmte Waren, u. a. Silberschmuck, den Vertrieb und das Sammeln von Bestellungen im Wege von Haustürgeschäften verbietet, lautet:

„Das Aufsuchen von Privatpersonen zum Zwecke des Sammelns von Bestellungen auf Waren ist hinsichtlich des Vertriebes von Nahrungsergänzungsmitteln, Giften, Arzneimitteln, Heilbehelfen, Uhren aus Edelmetall, Gold-, Silber- und Platinwaren, Juwelen und Edelsteinen, Waffen und Munition, pyrotechnischen Artikeln, kosmetischen Mitteln, Grabsteinen und Grabdenkmälern und deren Zubehör sowie Kränzen und sonstigem Gräberschmuck verboten. Hinsichtlich dieser Waren sind auch in Privathaushalten stattfindende Werbeveranstaltungen einschließlich Werbe- und Beratungspartys, die sich an Privatpersonen richten, verboten, gleichgültig, ob die Werbeveranstaltung von Gewerbetreibenden selbst oder von jemand anderem organisiert wird. …”

Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

4 Frau Schmidt leitet ein in Deutschland niedergelassenes Unternehmen. Sie vertreibt im Gebiet der Europäischen Union Schmuck im Wandergewerbe, wobei sie Privatpersonen in Privatwohnungen aufsucht, wo sie Silberschmuck zum Kauf anbietet und Bestellungen auf solchen Schmuck sammelt. Der Verkaufspreis der einzelnen Schmuckstücke beträgt höchstens 40 Euro.

5 Am 18. Dezember 2003 veranstaltete Frau Schmidt in Österreich, und zwar in einem Privathaushalt in Klagenfurt, eine „Schmuckparty”. Nach dieser Veranstaltung brachte A-Punkt, die konkurrierend tätig ist, beim Landesgericht Klagenfurt eine Unterlassungsklage gegen Frau Schmidt ein, die damit begründet wurde, dass deren Tätigkeit gemäß § 57 Abs 1 GewO verboten sei.

6 Frau Schmidt tritt den Ansprüchen der Klägerin des Ausgangsverfahrens damit entgegen, dass § 57 GewO der Freiheit des Warenverkehrs, wie sie in Artikel 28 EG vorgesehen sei, widerspreche. Insbesondere sei der Vertrieb von Silberschmuck im Wege von Haustürgeschäften in Deutschland, in Italien und im Vereinigten Königreich zulässig.

7 Unter diesen Umständen hat das Landesgericht Klagenfurt beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

  1. Sind die Artikel 28 EG und 30 EG dahin auszulegen, dass die Freiheit der beklagten Partei im Rahmen ihrer gewerblichen Tätigkeiten, Silberschmuck durch Aufsuchen ...

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