Entscheidungsstichwort (Thema)

Justizielle Zusammenarbeit in Zivilsachen. Insolvenzverfahren. Verordnung (EG) Nr. 1346/2000. Zeitliche Geltung. Zuständiges Gericht

 

Beteiligte

Staubitz-Schreiber

Susanne Staubitz-Schreiber

 

Tenor

Artikel 3 Absatz 1 der Verordnung (EG) Nr. 1346/2000 des Rates vom 29. Mai 2000 über Insolvenzverfahren ist dahin auszulegen, dass das Gericht des Mitgliedstaats, in dessen Gebiet der Schuldner bei Stellung seines Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens den Mittelpunkt seiner hauptsächlichen Interessen hat, für die Entscheidung über die Eröffnung dieses Verfahrens zuständig bleibt, wenn der Schuldner nach Antragstellung, aber vor der Eröffnungsentscheidung den Mittelpunkt seiner hauptsächlichen Interessen in das Gebiet eines anderen Mitgliedstaats verlegt.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Artikel 234 EG, eingereicht vom Bundesgerichtshof (Deutschland) mit Entscheidung vom 27. November 2003, beim Gerichtshof eingegangen am 2. Januar 2004, in dem Verfahren

Susanne Staubitz-Schreiber

erlässt

DER GERICHTSHOF (Große Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten V. Skouris, der Kammerpräsidenten P. Jann, C. W. A. Timmermans, A. Rosas und J. Malenovský, der Richter A. La Pergola, J.-P. Puissochet (Berichterstatter) und R. Schintgen, der Richterin N. Colneric sowie der Richter S. von Bahr, J. Klučka, U. Lõhmus und E. Levits,

Generalanwalt: D. Ruiz-Jarabo Colomer,

Kanzler: R. Grass,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • der deutschen Regierung, vertreten durch A. Tiemann als Bevollmächtigte,
  • der niederländischen Regierung, vertreten durch H.-G. Sevenster und N. A. J. Bel als Bevollmächtigte,
  • der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch S. Grünheid und A.-M. Rouchaud-Joët als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 6. September 2005

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

1 Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Artikel 3 Absatz 1 der Verordnung (EG) Nr. 1346/2000 des Rates vom 29. Mai 2000 über Insolvenzverfahren (ABl. L 160, S. 1, im Folgenden: Verordnung).

2 Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines beim Bundesgerichtshof anhängigen Verfahrens über die Rechtsbeschwerde von Susanne Staubitz-Schreiber (im Folgenden: Beschwerdeführerin) gegen die Entscheidung des Landgerichts Wuppertal, mit der dieses das Rechtsmittel der Beschwerdeführerin gegen die Ablehnung ihres Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens durch das Amtsgericht Wuppertal als Insolvenzgericht zurückgewiesen hatte.

Rechtlicher Rahmen

3 Nach ihrer vierten und ihrer sechsten Begründungserwägung regelt die Verordnung die Zuständigkeit für die Eröffnung von Insolvenzverfahren mit grenzüberschreitender Wirkung und für Entscheidungen, die unmittelbar aufgrund von Insolvenzverfahren ergehen und in engem Zusammenhang damit stehen. Darüber hinaus enthält die Verordnung Vorschriften hinsichtlich der Anerkennung solcher Entscheidungen und hinsichtlich des anwendbaren Rechts und hat insbesondere zum Ziel, zu verhindern, dass es für die Parteien vorteilhafter ist, Vermögensgegenstände oder Rechtsstreitigkeiten von einem Mitgliedstaat in einen anderen zu verlagern, um auf diese Weise eine verbesserte Rechtsstellung anzustreben.

4 Nach ihrer zwölften Begründungserwägung sieht die Verordnung vor, dass das Hauptinsolvenzverfahren in dem Mitgliedstaat eröffnet wird, in dem der Schuldner den Mittelpunkt seiner hauptsächlichen Interessen hat. Dieses Verfahren hat universale Geltung und hat grundsätzlich zum Ziel, das gesamte Vermögen des Schuldners zu erfassen, wobei insbesondere vorbehalten bleibt, dass in dem oder den Mitgliedstaaten, in denen der Schuldner eine Niederlassung hat, parallele Sekundärinsolvenzverfahren eröffnet werden, deren Wirkungen auf das in dem oder den betreffenden Mitgliedstaaten belegene Vermögen des Schuldners beschränkt sind.

5 Gemäß ihrem Artikel 1 Absatz 1 gilt die Verordnung vorbehaltlich der in Absatz 2 aufgeführten Sonderfälle „für Gesamtverfahren, welche die Insolvenz des Schuldners voraussetzen und den vollständigen oder teilweisen Vermögensbeschlag gegen den Schuldner sowie die Bestellung eines Verwalters zur Folge haben”.

6 Nach Artikel 2 der Verordnung bedeutet:

„a) ‚Insolvenzverfahren’ die in Artikel 1 Absatz 1 genannten Gesamtverfahren. Diese Verfahren sind in Anhang A aufgeführt;

d) ‚Gericht’ das Justizorgan oder jede sonstige zuständige Stelle eines Mitgliedstaats, die befugt ist, ein Insolvenzverfahren zu eröffnen oder im Laufe des Verfahrens Entscheidungen zu treffen;

e) ‚Entscheidung’, falls es sich um die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens oder die Bestellung eines Verwalters handelt, die Entscheidung jedes Gerichts, das zur Eröffnung eines derartigen Verfahrens oder zur Bestellung eines Verwalters befugt ist;

f) ‚Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung’ den Zeitpunkt, in dem die Eröffnungsentscheidung wirksam wird, unabhängig davon, ob die Entscheidung endgültig ist;

…”

7 Artikel 3 der Verordnung sieht ...

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