Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorlage zur Vorabentscheidung. Justizielle Zusammenarbeit in Zivilsachen. Verordnung. Gerichtliche Zuständigkeit bei Ansprüchen aus unerlaubter Handlung oder einer Handlung, die einer unerlaubten Handlung gleichgestellt ist. Ort, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist. Ort der Verwirklichung des Schadenserfolgs. Manipulation von Daten in Bezug auf den Abgasausstoß von Motoren eines Automobilherstellers

 

Beteiligte

Verein für Konsumenteninformation

Verein für Konsumenteninformation

Volkswagen AG

 

Tenor

Art. 7 Nr. 2 der Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen ist dahin auszulegen, dass sich der Ort der Verwirklichung des Schadenserfolgs in einem Fall, in dem Fahrzeuge von ihrem Hersteller in einem Mitgliedstaat rechtswidrig mit einer Software ausgerüstet worden sind, die die Daten über den Abgasausstoß manipuliert, und danach bei einem Dritten in einem anderen Mitgliedstaat erworben werden, in diesem letztgenannten Mitgliedstaat befindet.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Landesgericht Klagenfurt (Österreich) mit Entscheidung vom 17. April 2019, beim Gerichtshof eingegangen am 30. April 2019, in dem Verfahren

Verein für Konsumenteninformation

gegen

Volkswagen AG

erlässt

DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten J.-C. Bonichot, der Richter M. Safjan (Berichterstatter) und L. Bay Larsen, der Richterin C. Toader und des Richters N. Jääskinen,

Generalanwalt: M. Campos Sánchez-Bordona,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • des Vereins für Konsumenteninformation, vertreten durch Rechtsanwälte M. Poduschka und A. Klauser,
  • der Volkswagen AG, vertreten durch Rechtsanwalt T. Kustor und Rechtsanwältin S. Prossinger,
  • der Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch F. Shibli und Z. Lavery als Bevollmächtigte im Beistand von B. Lask, Barrister,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch M. Heller und M. Wilderspin als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 2. April 2020

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 7 Nr. 2 der Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. 2012, L 351, S. 1).

Rz. 2

Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen dem Verein für Konsumenteninformation, einer gemeinnützigen Verbraucherorganisation mit Sitz in Wien (Österreich) (im Folgenden: VKI), und der Volkswagen AG, einem Kraftfahrzeughersteller in der Rechtsform einer Aktiengesellschaft des deutschen Rechts mit Sitz in Wolfsburg (Deutschland), über die Haftung von Volkswagen für Schäden, die sich aus dem Einbau einer die Daten über den Abgasausstoß manipulierenden Software in die von österreichischen Verbrauchern gekauften Fahrzeuge ergeben haben.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Verordnung Nr. 1215/2012

Rz. 3

In den Erwägungsgründen 15 und 16 der Verordnung Nr. 1215/2012 heißt es:

„(15) Die Zuständigkeitsvorschriften sollten in hohem Maße vorhersehbar sein und sich grundsätzlich nach dem Wohnsitz des Beklagten richten. Diese Zuständigkeit sollte stets gegeben sein außer in einigen genau festgelegten Fällen, in denen aufgrund des Streitgegenstands oder der Vertragsfreiheit der Parteien ein anderes Anknüpfungskriterium gerechtfertigt ist. Der Sitz juristischer Personen muss in der Verordnung selbst definiert sein, um die Transparenz der gemeinsamen Vorschriften zu stärken und Kompetenzkonflikte zu vermeiden.

(16) Der Gerichtsstand des Wohnsitzes des Beklagten sollte durch alternative Gerichtsstände ergänzt werden, die entweder aufgrund der engen Verbindung zwischen Gericht und Rechtsstreit oder im Interesse einer geordneten Rechtspflege zuzulassen sind. Das Erfordernis der engen Verbindung soll Rechtssicherheit schaffen und verhindern, dass die Gegenpartei vor einem Gericht eines Mitgliedstaats verklagt werden kann, mit dem sie vernünftigerweise nicht rechnen konnte. Dies ist besonders wichtig bei Rechtsstreitigkeiten, die außervertragliche Schuldverhältnisse infolge der Verletzung der Privatsphäre oder der Persönlichkeitsrechte einschließlich Verleumdung betreffen.”

Rz. 4

Kapitel II „Zuständigkeit”) der Verordnung Nr. 1215/2012 enthält u. a. einen Abschnitt 1 „Allgemeine Bestimmungen”) und einen Abschnitt 2 „Besondere Zuständigkeiten”). Art. 4 Abs. 1 dieser Verordnung, der sich in dem genannten Abschnitt 1 befindet, sieht vor:

„Vorbehaltlich der Vorschriften dieser Verordnung sind Personen, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats haben, ohne Rücksicht auf ihre Staatsangehörigkeit vor ...

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