Entscheidungsstichwort (Thema)

Wettbewerb. Akteneinsicht. Gerichtsverfahren betreffend Geldbußen wegen Verstoßes gegen Art. 101 AEUV. Drittunternehmen, die eine Schadensersatzklage erheben wollen. Nationale Regelung, die die Akteneinsicht von der Zustimmung aller Parteien des Verfahrens abhängig macht. Effektivitätsgrundsatz

 

Normenkette

AEUV Art. 101

 

Beteiligte

Donau Chemie u.a

Bundeswettbewerbsbehörde

Donau Chemie AG

Donauchem GmbH

DC Druck-Chemie Süd GmbH & Co KG

Brenntag Austria Holding GmbH

Brenntag CEE GmbH

ASK Chemicals GmbH

ASK Chemicals Austria GmbH

 

Tenor

Das Unionsrecht, insbesondere der Effektivitätsgrundsatz, steht einer Bestimmung des nationalen Rechts entgegen, wonach in Bezug auf Dokumente, die in den Akten eines die Anwendung von Art. 101 AEUV betreffenden nationalen Verfahrens enthalten sind – einschließlich Dokumenten, die im Rahmen eines Kronzeugenprogramms übermittelt wurden –, die Einsichtnahme durch nicht am Verfahren beteiligte Dritte, die Schadensersatzklagen gegen Kartellteilnehmer erwägen, allein von der Zustimmung aller Parteien dieses Verfahrens abhängt, ohne dass die nationalen Gerichte die Möglichkeit hätten, die betroffenen Interessen gegeneinander abzuwägen.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Oberlandesgericht Wien (Österreich) mit Entscheidung vom 12. Oktober 2011, beim Gerichtshof eingegangen am 20. Oktober 2011, in dem Verfahren

Bundeswettbewerbsbehörde

gegen

Donau Chemie AG,

Donauchem GmbH,

DC Druck-Chemie Süd GmbH & Co KG,

Brenntag Austria Holding GmbH,

Brenntag CEE GmbH,

ASK Chemicals GmbH, vormals Ashland-Südchemie-Kernfest GmbH,

ASK Chemicals Austria GmbH, vormals Ashland Südchemie Hantos GmbH,

Beteiligte:

Bundeskartellanwalt,

Verband Druck und Medientechnik,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Tizzano (Berichterstatter), der Richter M. Ilešič, E. Levits und M. Safjan sowie der Richterin M. Berger,

Generalanwalt: N. Jääskinen,

Kanzler: C. Strömholm, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 4. Oktober 2012,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • der Bundeswettbewerbsbehörde, vertreten durch T. Thanner und N. Harsdorf Enderndorf als Bevollmächtigte,
  • der Donau Chemie AG und der Donauchem GmbH, vertreten durch die Rechtsanwälte S. Polster und C. Mayer,
  • der DC Druck-Chemie Süd GmbH & Co KG, vertreten durch Rechtsanwältin C. Hummer,
  • der Brenntag EWG GmbH, vertreten durch Rechtsanwalt A. Reidlinger,
  • der ASK Chemicals GmbH, vormals Ashland-Südchemie-Kernfest GmbH, und der ASK Chemicals Austria GmbH, vormals Ashland Südchemie Hantos GmbH, vertreten durch Rechtsanwalt F. Urlesberger,
  • des Verbandes Druck & Medientechnik, vertreten durch Rechtsanwalt T. Richter,
  • der österreichischen Regierung, vertreten durch A. Posch als Bevollmächtigten,
  • der belgischen Regierung, vertreten durch T. Materne und J.-C. Halleux als Bevollmächtigte,
  • der deutschen Regierung, vertreten durch A. Wiedmann und T. Henze als Bevollmächtigte,
  • der spanischen Regierung, vertreten durch S. Centeno Huerta als Bevollmächtigte,
  • der französischen Regierung, vertreten durch J. Gstalter als Bevollmächtigten,
  • der italienischen Regierung, vertreten durch G. Palmieri als Bevollmächtigte im Beistand von M. Santoro, avvocato dello Stato,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch A. Antoniadis und P. Van Nuffel als Bevollmächtigte,
  • der EFTA-Überwachungsbehörde, vertreten durch M. Schneider und X. Lewis als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 7. Februar 2013

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Grundsätze der Effektivität und der Äquivalenz im Hinblick auf die Bestimmungen, die in der österreichischen Rechtsordnung für Schadensersatzklagen wegen Verletzung des Wettbewerbsrechts der Union gelten.

Rz. 2

Dieses Ersuchen ergeht in einem beim Oberlandesgericht Wien als Kartellgericht anhängig gemachten Verfahren wegen eines Antrags der Unternehmensvereinigung Verband Druck & Medientechnik (im Folgenden: VDMT) auf Einsicht in die Akten des von der Bundeswettbewerbsbehörde (im Folgenden: BWB) gegen die Donau Chemie AG, die Donauchem GmbH, die DC Druck-Chemie Süd GmbH & Co KG, die Brenntag Austria Holding GmbH, die Brenntag CEE GmbH, die ASK Chemicals GmbH, vormals Ashland-Südchemie-Kernfest GmbH, und die ASK Chemicals Austria GmbH, vormals Ashland Südchemie Hantos GmbH (im Folgenden zusammen: Donau Chemie u. a.), betriebenen Gerichtsverfahrens, das mit einer rechtskräftigen Entscheidung des Oberlandesgerichts Wien endete, mit der diese Gesellschaften aufgrund ihrer Teilnahme an einem gegen Art. 101 AEUV verstoßenden Kartell zur Zahlung einer Geldbuße verurteilt wurden.

Österreichisches Recht

Rz. 3

§ 39 Abs. 2 des Kartellgesetzes 2005 (im Folgenden: KartG) bestimmt:

„In die Akten des Kartellgerichts können am Verfahren nicht als Partei beteiligte Personen nur mit Zustimmung der ...

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