Leitsatz

Art. 13 Teil B Buchst. b der 6. EG-RL befreit die Dienstleistung, mit der eine Person, die kein Recht an einem Grundstück hat, gegen Entgelt die Rechte und Pflichten aus einem Mietvertrag über dieses Grundstück vom Mieter übernimmt, nicht von der Steuer.

 

Normenkette

§ 4 Nr. 12 a UStG , Art. 13 Teil B Buchst. b 6. EG-RL

 

Sachverhalt

Durch einen auf fünfzehn Jahre befristeten Mietvertrag vermietete die Prudential Assurance Co. Ltd. (Vermieterin) an die Wako International Europe International (Mieterin) ein Stockwerk eines Gebäudes in London. Die Mieterin verpflichtete sich in dem Mietvertrag, die Sache ohne Zustimmung der Vermieterin weder unterzuvermieten noch den Mietvertrag abzutreten.

Sieben Jahre später übertrug die Mieterin ihre mietvertraglichen Rechte und Pflichten mit Zustimmung der Vermieterin auf die Klägerin als neue Mieterin. Als Gegenleistung für die Übernahme des Mietvertrags mit der Entschädigung aller Verluste und Verbindlichkeiten aus dem Mietvertrag gegenüber der alten Mieterin verpflichtete sich die alte Mieterin 1,5 Mio. UKL an die Klägerin zu zahlen.

 

Entscheidung

Entgegen der Auffassung der Kommission bewertet der EuGH die Übernahme der Rechte und Pflichten aus dem Mietvertrag durch die Klägerin gegenüber der alten Mieterin als eine identifizierbare Dienstleistung der Klägerin.

Diese sei steuerpflichtig, da der Befreiungstatbestand des Art. 13 Teil B Buchst. b der 6. EG-RL nicht greife. Zum einen sei die in Art. 13 Teil B Buchst. b der 6. EG-RL normierte Befreiung eng auszulegen. Befreit sei damit alleine die Vermietung von Grundstücken, nicht aber Umsätze, die, ohne vom Vermieter ausgeführt zu sein, auf einer solchen Vermietung beruhten oder sie ergänzten. Zum anderen erzwinge auch der Grundsatz der Neutralität keine andere Betrachtung, selbst wenn eine andere Vertragsgestaltung zu einem wirtschaftlichen vergleichbaren, aber umsatzsteuerlich steuerbefreiten Sachverhalt geführt hätte.

 

Hinweis

Die Entscheidung des EuGH ist aus zweierlei Sicht bedeutsam: zum einen zeigt sie eindrucksvoll auf, dass der EuGH in seinen Urteilen nicht Richtungsentscheidungen vorgibt, die bedenkenlos auf andere – möglicherweise aus nationaler Sicht vergleichbare – Sachverhalte zur Anwendung gebracht werden können.

Noch in der Rechtssache Lubbock Fine (Urteil vom 15.12.1993 – Rs. C-63/92) hatte er die Räumungsentschädigung, die ein Mieter für die frühzeitige Räumung des von ihm angemieteten Gebäudes erhalten hatte, als Leistung gesehen, die als von dem Mietvertrag umfangen ebenfalls grundsätzlich steuerfrei sein müsse (vgl. Abschn. 76 Abs. 1 Satz 5 UStR 2000). Diese Grundsätze will er nunmehr nicht auf den Fall angewendet wissen, in dem ein Nachmieter eine Entschädigung vom Mieter dafür erhält, dass er in dessen Rechte und Pflichten aus dem Mietvertrag eintritt. Auch in diesem letzten Fall lag eigentlich die Vermutung nahe, der ursprüngliche Mietvertrag wirke quasi als Klammer und habe die Leistung des Nachmieters erst ausgelöst und damit die Steuerbefreiung der Vermietung auch hierauf erstreckt.

Der EuGH sieht es – wohl zu Recht – anders. Die Leistung des Nachmieters besteht eben nicht in einer Leistung an dem zwischen Vermieter und Mieter vereinbarten Gebrauchsrecht an dem Grundstück. Nur hierauf könne es aber – so der EuGH – bei einer engen Auslegung der Befreiungstatbestände auch im Bereich des Art. 13 Teil B Buchst. b der 6. EG-RL ankommen.

Zum anderen ist die Entscheidung des EuGH auch im Hinblick auf den oft – auch von ihm – bemühten Grundsatz der Neutralität der Umsatzsteuer bedeutsam. Der EuGH stellt klar, dass Parteien, also hier die Mieterin und die Klägerin als Nachmieter, auch eine andere rechtliche Konstellation hätten wählen können: nämlich entweder die Untervermietung durch die Mieterin an die Klägerin gegen geringeres Mietentgelt oder eine Abfindungszahlung der Mieterin an den Vermieter.

In beiden Fällen wäre – so der EuGH ausdrücklich – der wirtschaftliche Erfolg der gleiche gewesen, trotzdem wären die Umsätze aus diesen beiden rechtlichen Alternativgestaltungen steuerfrei gewesen. Der EuGH stellt klar, dass der Grundsatz der Neutralität nicht bedeuten könne, sich bei einer Wahlmöglichkeit für einen der Umsätze zu entscheiden, die Wirkungen aber des anderen Umsatzes geltend machen zu wollen.

Ganz nebenbei hat der EuGH mit diesen Aussagen den in Deutschland bestehenden Streit um die umsatzsteuerliche Beurteilung einer Entschädigung des Mieters an den Vermieter für eine frühzeitige Entlassung aus dem Mietvertrag gegen die Annahme eines Schadenersatzes und zugunsten eines Umsatzes des Mieters gegen Entgelt, steuerbar, aber gem. § 4 Nr. 12 Buchst. a UStG steuerfrei entschieden.

 

Link zur Entscheidung

EuGH, Urteil vom 09.10.2001, C-108/99EuGH, Urteil vom 9.10.2001 – Rs. C-108/98 – Cantor Fitzgerald International

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