Rz. 63

Nimmt ein alleiniger gesetzlicher Vertreter des minderjährigen erbenden Kindes Aufgaben eines Testamentsvollstreckers wahr, so begründet dies für sich allein weder einen Interessengegensatz noch erfordert dies die Anordnung einer Ergänzungspflegschaft. Die Wahrnehmung der Aufgaben als alleiniger gesetzlicher Vertreter und Testamentsvollstrecker in einer Person schließen einander deswegen nicht grundsätzlich aus, weil die Übertragung von Kontrollrechten des an sich befugten gesetzlichen Vertreters auf einen Ergänzungspfleger ohne Vorliegen einer konkreten Konfliktlage faktisch auf eine unzulässige Kontrolle des gesetzlichen Vertreters selbst hinausliefe und wäre ein Verstoß gegen das aus Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG resultierende Elternrecht.

Die Ergänzungspflegschaft wird folglich erst dann notwendig, wenn ein Interessenwiderstreit vorliegt, der die Befürchtung rechtfertigt, dass der Vertreter aus Eigennutz die von ihm pflichtgemäß wahrzunehmenden Interessen und sonstigen Belange des Kindes vernachlässigt.[1]

Allerdings spielt das Motiv des Erblassers, eine Testamentsvollstreckung wegen Minderjährigkeit des Erben oder aufgrund dessen mangelnder Eignung zur Verwaltung eines Nachlassgegenstandes anzuordnen, gerade bei Gesellschaftsbeteiligungen häufig eine entscheidende Rolle. Hier ergeben sich aufgrund der gesellschaftsrechtlichen Verflechtungen nicht selten Interessenkonflikte.

[1] Vgl. zur Ablehnung einer Ergänzungspflegschaft allein zur Ausübung von Kontrollrechten: OLG München, Beschluss v. 3.6.2022, 2 WF 232/22 e.

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