Leitsatz

Die Eltern achtjähriger Zwillinge stritten sich um das Sorge- und Aufenthaltsbestimmungsrecht für ihren gemeinsamen Kinder. Der Kindesvater hielt seine Ehefrau wegen von ihm angeführter ständig wechselnder Männerkontakte sowie aus seiner Sicht perverser sexueller Neigungen für nicht erziehungsgeeignet. Die Kindesmutter zweifelte an der Erziehungsfähigkeit des Vaters im Hinblick auf den von ihr angeführten übermäßigen Alkoholkonsum und starke Depressionen.

 

Sachverhalt

Die Eltern hatten nach der Geburt der Kinder am 8.4.2001 geheiratet. Bereits am 5.6.2002 wurde die Ehe geschieden, das Sorgerecht für die gemeinsamen Zwillinge verblieb bei beiden Eltern gemeinsam. Von Januar bis November 2003 lebten sie nach einer Versöhnung erneut bis zur endgültigen Trennung am 7.11.2003 zusammen. Die Kindesmutter zog zunächst mit den Kindern zu ihrem ersten geschiedenen Ehemann; seit dem 1.4.2004 hatte sie eine eigene Wohnung angemietet.

Aus ihrer ersten geschiedenen Ehe hatte die Kindesmutter einen im Jahre 1989 geborenen Sohn, für den sie das alleinige Sorgerecht innehatte. Dieser Sohn wohnte überwiegend bei ihr, teilweise aber auch bei seinem Vater.

Die Parteien beantragten wechselseitig, ihnen jeweils die alleinige elterliche Sorge für die gemeinsamen Zwillinge zu übertragen. Sie hielten den jeweils anderen Elternteil für erziehungsungeeignet. Der Kindesvater warf seiner geschiedenen Ehefrau vor, ständig wechselnde Männerkontakte zu unterhalten sowie perverse sexuelle Neigung zu haben, da sie sado-masochistischen Praktiken nachgehe. Die Kindesmutter hielt ihren geschiedenen Ehemann ebenfalls für erziehungsungeeignet im Hinblick auf seinen übermäßigen Alkoholkonsum und seine starken Depressionen.

Durch Beschluss des FamG vom 23.6.2004 wurde das Aufenthaltsbestimmungsrecht für die gemeinsamen Zwillinge der Parteien der Kindesmutter übertragen und die weitergehenden Sorgerechtsanträge der Parteien zurückgewiesen. Zur Begründung wurde ausgeführt, die gemeinsame elterliche Sorge entspreche dem Kindeswohl, beide Eltern seien erziehungsfähig und jedenfalls in einem Maße kooperationsbereit, dass eine gedeihliche Zusammenarbeit i.S.d. Kinder möglich sei.

Gegen den erstinstanzlichen Beschluss wandte sich der Kindesvater mit seiner Beschwerde.

Das OLG hat durch Einholung eines familienpsychologischen Sachverständigen-Gutachtens Beweis erhoben zu der Frage, welche Sorgerechtsregelung dem Wohle der gemeinsamen Kinder am besten entspricht.

Die Beschwerde des Kindesvaters war nicht erfolgreich.

 

Entscheidung

Das OLG teilte die Auffassung des erstinstanzlichen Gerichts, wonach es dem Kindeswohl entsprach, dass die elterliche Sorge gemeinsam von beiden Eltern ausgeübt wird.

Es bestehe zwar keine gesetzliche Vermutung dafür, dass die gemeinsame Sorge im Zweifel die beste Form der Wahrnehmung der elterlichen Verantwortung sei. Einer solchen Regelung stände - wie vom BGH dargelegt - entgegen, dass sich elterliche Gemeinsamkeit in der Realität nicht verordnen lasse (BGH v. 29.9.1999 - XII ZB 3/99, MDR 2000, 31 m. Anm. Oelkers = FamRZ 1999, 1646 [1647]). Anhaltender Streit zwischen den Eltern über die die Kinder betreffenden Angelegenheiten könne zu einer Belastung führen, die mit dem Wohle der Kinder nicht vereinbar sei. In solchen Fällen sei der Alleinsorge eines Elternteils gegenüber dem Fortbestand der gemeinsamen Sorge der Vorzug zu geben.

Die Übertrag der Alleinsorge setze allerdings konkrete tatrichterliche Feststellungen voraus, aus denen sich ergeben müsse, dass diese Voraussetzung vorliege und die Übertragung der Alleinsorge auf einen Elternteil erforderlich mache (BGH v. 11.5.2005 - XII ZB 33/04, BGHReport 2005, 1194 = MDR 2005, 1112 = FamRZ 2005, 1167).

Im vorliegende Fall hielt das OLG beide Eltern in gleichem Maße erziehungsgeeignet. Dies stehe aufgrund der gutachterlichen Feststellungen der Sachverständigen fest.

Danach sei die Erziehungsfähigkeit des Vaters nicht durch die von seiner geschiedenen Frau behauptete Alkoholabhängigkeit oder durch eine psychische Erkrankung beeinträchtigt.

Auch die Kindesmutter sei gleichermaßen erziehungsfähig. Ihre sexuelle Neigung zum Sado-Masochismus stehe dem nicht entgegen. Die sexuelle Ausrichtung eines Elternteil sei grundsätzlich seine Privatsache, es sei denn, sie habe negative Auswirkungen auf das Kind (Salzgeber FamRZ 1995, 1311; AG Mettmann, FamRZ 1985, 528: Übertragung der elterlichen Sorge auf lesbische Mutter).

Die sexuelle Veranlagung eines Elternteils sei für sich alleine genommen keine Disqualifikation als Sorgerechtsinhaber. Beurteilungen von Lebenswandel und Moral seien ebenfalls immer nur in ihren Auswirkungen auf die Kinder zu beurteilen, was je nach deren Altersstufe unterschiedlich sein könne. Auswirkungen auf das Kindeswohl könne immer nur konkretes Verhalten eines Elternteils haben.

Trotz der Auseinandersetzungen zwischen den Eltern sei die gemeinsame elterliche Sorge geboten, da nicht jede Spannung oder jeder Konflikt den Ausschluss des gemeinsamen Sorgerechts rechtfertige; er...

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