Rz. 559

Übergibt der Schuldner den Besitz nicht freiwillig, so ist der Beschluss über die Anordnung der Zwangsverwaltung mit Zustellungsvermerk zusammen mit der Ermächtigung (§ 150 Abs. 2 ZVG) Vollstreckungstitel gegen den Schuldner,[28] mit welchem (ohne Klausel[29] und erneute Zustellung) im Auftrag des Verwalters ein Gerichtsvollzieher den Schuldner gem. § 885 Abs. 1 ZPO aus dem Besitz zu setzen und den Zwangsverwalter in den Besitz einzusetzen hat. Dies kann z.B. dadurch geschehen, dass der Gerichtsvollzieher die vom Verwalter bezeichneten Teile des Grundstücks räumen lässt und sie dem Verwalter übergibt.[30] Dieser kann die erneute Besitzergreifung seitens des Schuldners dadurch verhindern, dass er ihm die Schlüssel wegnehmen lässt oder aber die Schlösser ändern lässt.

Weigert sich der Schuldner, dem Zwangsverwalter den Besitz einzuräumen, kann dies u.U. ein Grund sein, ihm auch das an sich zu belassende Wohnungsrecht entziehen zu lassen (§ 149 Abs. 2 ZVG), denn die Verweigerung der Besitzergreifung gefährdet die ordnungsgemäße Verwaltung.

 

Rz. 560

Verweigert der Schuldner das Betreten des Hauses (öffnet einfach nicht) und verhindert auf diese Weise die Besitzergreifung durch den Verwalter und die Feststellung, ob Räume vermietet sind und ob der Schuldner nur notwendige Räume im Besitz hat (und ob die übrigen separat vermietbar sind), so kann der Gerichtsvollzieher im Auftrag des Verwalters den Widerstand des Schuldners gemäß §§ 892, 758 Abs. 3 ZPO – notfalls mit Hilfe der Polizei – brechen und die Öffnung und Durchsuchung des Hauses zwecks Besitzergreifung durch den Verwalter ermöglichen. Wegen § 758a Abs. 2 ZPO ist eine besondere richterliche Genehmigung nicht erforderlich. Dies gilt, obwohl der zu vollstreckende Titel (Anordnungsbeschluss mit Ermächtigung zur Besitzergreifung) vom Rechtspfleger[31] erlassen wurde. Allerdings sollte er eine solche Maßnahme mit dem Gericht der Zwangsverwaltung absprechen und den Gläubiger hören. Soweit nicht Gefahr im Verzug ist, soll er dem Schuldner sein Vorhaben androhen (Telefon, Einwurf in den Briefkasten etc.) um ihn evtl. zum Einlenken zu bewegen.

 

Rz. 561

Dies gilt auch dann, wenn anlässlich der Besitzergreifung auch die Schuldnerwohnung geöffnet werden muss und wenn der Zwangsverwalter den Gerichtsvollzieher beauftragt hat, hierbei die von ihm benötigten Urkunden (siehe § 1 Rn 167) dem Schuldner wegzunehmen.

 

Rz. 562

Zur Unzeit (§ 758a Abs. 4 ZPO) soll die Besitzergreifung gegen den Willen des Schuldners nur erfolgen, wenn dies ausnahmsweise nötig ist. Dazu ist dann allerdings die besondere Anordnung des zuständigen Richters erforderlich.

 

Rz. 563

Der Schuldner-Zwangsverwalter (siehe § 1 Rn 124 ff.) bleibt zum unmittelbaren Besitz berechtigt. Dagegen kann der Zwangsverwalter auch den Insolvenzverwalter aus dem Besitz setzen (lassen), wenn dieser aufgrund einer früher angeordneten Insolvenzverwaltung den Besitz ergriffen hat und ihn nicht freiwillig dem Zwangsverwalter übergibt. Hier sollte allerdings zunächst das Insolvenzgericht (§ 58 InsO) um Vermittlung gebeten werden.

 

Rz. 564

Ein bürgerlich-rechtlicher Anspruch des Verwalters gegen den Schuldner auf Einräumung des Besitzes besteht nicht. Der Verwalter kann daher gegen den Schuldner nicht auf Herausgabe klagen. Auch wäre eine Klage gegen den Verwalter auf Übertragung des Besitzes unzulässig. Dies gilt auch für den Ersteher zwischen Zuschlag und Aufhebung des Verfahrens.[32]

 

Rz. 565

Betreibt der Schuldner auf dem Grundstück[33] einen kleinen Gewerbebetrieb (z.B. Handwerk), unterstehen die hierfür genutzten Räume nicht dem Schutz des § 149 Abs. 1 ZVG. Der Entzug dieser Räume bedeutet aber das Ende des Betriebes, den andererseits der Verwalter nicht selbst weiterführen kann. Hier wäre es angebracht, mit einem willigen Schuldner sofort eine Nutzungsvereinbarung gegen Entgelt zu treffen (§ 5 Abs. 2 ZwVwVO) um die reibungslose Weiterführung des Betriebes zu ermöglichen. In diesem Fall beschränkt sich der Verwalter auf das Ergreifen des mittelbaren Besitzes, was für ihn genügt. Weigert sich aber der Schuldner – auch nach Hinweis auf die Folgen – eine solche Vereinbarung abzuschließen, muss der Verwalter den Schuldner aus dem Besitz setzen, auch wenn dadurch der Gewerbebetrieb zum Erliegen kommt. In diesem Fall müssten die nicht beschlagnahmten Geräte (die also kein Zubehör sind) entfernt (§ 885 Abs. 2 bis 4 ZPO) und die leeren Räume (zusammen mit dem zurückgebliebenen Zubehör) nach Möglichkeit anderweitig verpachtet werden, falls eine Verpachtung des Betriebes als solchem nicht möglich ist. Vor einer solchen einschneidenden Maßnahme muss der Gläubiger gehört werden, vor allem um zu erfahren, ob nicht evtl. die alsbaldige Antragsrücknahme zu erwarten ist. Auch sollte die Zustimmung des Gerichts eingeholt werden, auch wenn beides nicht ausdrücklich vorgeschrieben ist. Es wäre in geeigneten Fällen auch denkbar, dass der Rechtspfleger mündliche Verhandlung mit Gläubiger, Schuldner und Verwalter anordnet, um dem Schuldner eine let...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge