Rz. 172

Die Erzeugnisse, welche geerntet (vom Grundstück getrennt) werden, nachdem das Grundstück beschlagnahmt wurde, sind beschlagnahmt, da sie zum Zeitpunkt der Beschlagnahme noch wesentliche Bestandteile waren. Die damals eingetretene Beschlagnahme endet jedoch mit der Ernte kraft Gesetzes, wenn diese Früchte durch die Ernte in das Eigentum eines anderen als des Eigentümers oder Eigenbesitzers (§§ 954 bis 957 BGB) fallen. Insbesondere der Pächter darf also (§ 21 Abs. 3 ZVG) ernten und damit die Beschlagnahme beenden, da die geernteten Früchte gemäß § 956 BGB mit der Ernte sein Eigentum werden.

 

Rz. 173

Ganz ausnahmsweise[145] bestimmt § 810 ZPO, dass noch nicht geerntete Früchte gepfändet werden dürfen, wenn sie noch nicht beschlagnahmt[146] sind, und die Pfändung nicht früher als einen Monat vor der üblichen Reife dieser Früchte erfolgt. Es ist also möglich, dass der Zwangsverwalter bei seiner Besitzergreifung noch nicht geerntete, aber bereits gepfändete Früchte vorfindet.

 

Rz. 174

Es sind folgende Rechtsbehelfe denkbar:

Der Zwangsverwalter kann mit Erinnerung gem. § 766 ZPO die Aufhebung der Pfändung fordern, wenn die Pfändung unzulässig war, weil

die Pfändung zu früh erfolgte; wobei sie allerdings durch Fristablauf zulässig werden könnte;
das Grundstück zum Zeitpunkt der Pfändung bereits beschlagnahmt war, wobei der Rang des Gläubigers gegenüber dem Rang des Pfandgläubigers unbeachtlich ist;
die Früchte mit der Ernte Zubehör (und damit unpfändbar) würden.

Der gleiche Rechtsbehelf steht unter diesen Umständen auch jedem Berechtigten zu, welcher ein Recht zur Befriedigung aus dem Grundstück hat.

 

Rz. 175

Ist die Pfändung aber zulässig, muss sie der Verwalter gegen sich gelten lassen. Nur die vorgenannten Berechtigten können (§ 810 Abs. 2 ZPO) gegen den Pfandgläubiger nach § 771 ZPO klagen oder sich mit einer Klage nach § 805 ZPO begnügen. Erfolgreiche Intervention hat zur Voraussetzung, dass der Pfandgläubiger einen schlechteren Rang hat als der Berechtigte; es gilt § 10 ZVG. Der Verwalter kann die Klage nach § 771 ZPO auch dann nicht erheben, wenn die Zwangsverwaltung von einem dinglichen Gläubiger mit besserem Rang betrieben wird. Nach erfolgreicher Klage gem. § 771 ZPO ("Die Pfändung wird für unzulässig erklärt.") fallen die Früchte mit der Ernte in die Verwaltungsmasse. Obsiegt der Gläubiger mit einer Klage aus § 805 ZPO (vorzugsweise Befriedigung), bleibt die Pfändung wirksam; der Erlös gebührt dem Gläubiger.

 

Rz. 176

Damit ergibt sich auch, wer die Früchte verwertet/erntet:

Die Pfändung war unzulässig und der Verwalter hat erfolgreich interveniert: nun darf er auch verwerten/ernten.
Die Pfändung war zulässig und niemand hat interveniert: der Gerichtsvollzieher verwertet/erntet zugunsten des Pfandgläubigers (§ 824 ZPO).
Die Pfändung war zulässig, aber ein Berechtigter hat nach § 771 ZPO erfolgreich interveniert: die Früchte fallen in die Verwaltungsmasse; der Verwalter verwertet/erntet.
Die Pfändung war zulässig, aber ein Berechtigter hat ein Urteil nach § 805 ZPO erwirkt: der Erlös gebührt dem Berechtigten, es erntet/verwertet der Gerichtsvollzieher (denn die Pfändung wurde nicht aufgehoben!).

Sollte bei einer Verwertung durch den Gerichtsvollzieher ein Überschuss verbleiben, ist dieser an die Zwangsverwaltungsmasse auszukehren.

[145] Ausnahme zu § 93 BGB, denn die ungetrennten (noch nicht geernteten) Früchte sind wesentliche Bestandteile!
[146] Auch eine Beschlagnahme in der Zwangsversteigerung macht die Pfändung unzulässig!

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