Gesetzestext

 

(1) Weist der Steuerpflichtige nach, dass der gemeine Wert der wirtschaftlichen Einheit am Bewertungsstichtag niedriger ist als der nach den §§ 179, 182 bis 196 ermittelte Wert, so ist dieser Wert anzusetzen. Für den Nachweis des niedrigeren gemeinen Werts gelten grundsätzlich die auf Grund des § 199 Abs. 1 des Baugesetzbuchs erlassenen Vorschriften.

(2) Als Nachweis des niedrigeren gemeinen Werts kann regelmäßig ein Gutachten des zuständigen Gutachterausschusses im Sinne der §§ 192 ff. des Baugesetzbuchs oder von Personen, die von einer staatlichen, staatlich anerkannten oder nach DIN EN ISO/IEC 17024 akkreditierten Stelle als Sachverständige oder Gutachter für die Wertermittlung von Grundstücken bestellt oder zertifiziert worden sind, dienen.

(3) Als Nachweis des niedrigeren gemeinen Werts kann ein im gewöhnlichen Geschäftsverkehr innerhalb eines Jahres vor oder nach dem Bewertungsstichtag zustande gekommener Kaufpreis über das zu bewertende Grundstück dienen, wenn die maßgeblichen Verhältnisse hierfür gegenüber den Verhältnissen am Bewertungsstichtag unverändert sind.

Gesetzesbegründung: BT-Drucks 16/11107, S. 27; BT-Drucks 19/28902, S. 22.[1]

Verwaltungsanweisung: R B 198 ErbStR 2019 v. 16.12.2019, BStBl I 2019, Sondernummer 1/2019.

[1] Gem. § 265 Abs. 12 BewG ist die aktuelle Fassung des BewG am 23.7.2021 in Kraft getreten; es ist die Fassung aufgrund des Gesetzes zur erleichterten Umsetzung der Reform der Grundsteuer und Änderung weiterer steuerrechtlicher Vorschriften (Grundsteuerreform-Umsetzungsgesetz) v. 16.7.2021 (BGBl I 2021, 2931).

A. Allgemeines

 

Rz. 1

§ 198 BewG dient der Begrenzung der Erbschaft- und Schenkungsteuerbelastung auf die Bereicherung nach dem individuellen Verkehrswert eines inländischen Grundstücks, d.h. der Vermeidung einer verfassungswidrigen Überbelastung. Er ordnet an, dass Obergrenze der Bereicherung bei Grundstücken der individuell ermittelte Verkehrswert eines Grundstücks ist. Die Regelung hält der Gesetzgeber für geboten, weil er davon ausgeht, dass bei der im BewG vorgesehenen typisierten Bewertung der Grundstücke auch Werte vorkommen können, die über dem tatsächlichen individuellen Verkehrswert liegen, denn die Vorschriften der §§ 180 ff. BewG bilden nicht den gemeinen Wert ab.[2] § 198 BewG öffnet das gesetzliche Bewertungssystem für "Bewertungen nach unten". Allerdings bürdet er die Vermeidung der Überbelastung (einschl. der damit verbundenen Kosten) dem Steuerpflichtigen auf. Die Sachverständigenkosten für die Erstellung eines Gutachtens zum Nachweis des niedrigeren gemeinen Wertes eines zum Nachlass gehörenden Grundstücks sind aber dann als Nachlassverbindlichkeiten abzugsfähig, wenn sie im engen zeitlichen und sachlichen Zusammenhang mit dem Erwerb von Todes wegen anfallen.[3] Dies mag zumutbar sein, wenn die gesetzlich vorgesehenen Bewertungen überwiegend zu niedrigeren Werten als den individuellen Verkehrswerten führen. Würde die gesetzliche Bewertung aber überwiegend zu Überbewertungen führen, wäre es Sache des Gesetzgebers, ein besseres Bewertungssystem vorzuschreiben. Nach Broeckelschen/Maiterth[4] sollen die Relation der neuen Steuerwerte zu den Verkehrswerten im Mittel bei EFH/ZFH ca. 104 %, bei Mietwohngrundstücken ca. 109 % betragen und in einer Bandbreite von ca. +/- 20 % um den Verkehrswert schwanken. Dies würde tendenziell auf viele Überbewertungsfälle hindeuten. Für Steuerpflichtige bzw. deren Beratern bedeutet dies, zumindest zu prüfen, ob ein Verkehrswertgutachten in Betracht zu ziehen ist.

 

Rz. 2

Die Bewertungsvorschriften der §§ 179 und 182 ff. BewG fingieren den gemeinen Wert eines Grundstücks (§ 177 BewG). Da die Bewertungsvorschriften im Hinblick auf die einfache praktische Anwendung nicht jedes Detail berücksichtigen, ergibt die erbschaftsteuerliche Bewertung nur "typisierend" und nicht individuell zutreffend den gemeinen Wert (Verkehrswert) wieder. Es liegt daher ggf. im Interesse des Steuerpflichtigen, dass in seinem Fall der individuelle Verkehrswert i.S.d. § 194 BauGB der Erbschaftsteuer zugrunde gelegt wird, wenn dieser niedriger als der schematisch ermittelte Steuerwert ist. Das Finanzamt (Bewertungsstelle) ist verpflichtet, abweichend von der Wertermittlung nach den §§ 179 und 182196 BewG den niedrigeren gemeinen Wert (Verkehrswert/Marktwert) am Bewertungsstichtag festzustellen, wenn der Steuerpflichtige diesen nachweist (§ 198 BewG).

[3] BFH v. 19.6.2013 – II R 20/12, BStBl II 2013, 738 und gleich lautende Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder v. 5.6.2014, BStBl I 2014, 893.
[4] Broeckelschen/Maiterth, FR 2008, 698.

B. Kaufpreis unter dem steuerlichen Grundbesitzwert

 

Rz. 3

Als Nachweis kommen zeitnahe Kaufpreise in Betracht, z.B. der Erbe hat das Grundstück im gewöhnlichen Geschäftsverkehr verkauft oder der Erblasser hatte es kurz vor seinem Tod gekauft. Diese Regelung ist konsequent, da nach R B 177 S. 2 ErbStR 2019 der zugrunde zu legende gemeine Wert dem Verkehrswert nach § 194 BauGB entsprechen soll. Voraussetzung ist dabei, dass die entsprechenden Vertr...

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