1. Allgemeines

 

Rz. 33

Wurde beim gemeinschaftlichen Testament die sog. Trennungslösung gewählt, sind die Dritten (und hier pflichtteilsrechtlich relevant zumeist die Kinder der Ehegatten) hinsichtlich des Nachlasses des erstversterbenden Ehegatten zum Nacherben eingesetzt. Vorerbe ist zunächst der überlebende Ehegatte. Bei Eintritt des ersten Erbfalls können daher die Nacherben ihren Pflichtteil nur verlangen, wenn sie hinsichtlich der Nacherbfolge die Ausschlagung erklären, § 2306 Abs. 2 BGB.[93] Die Frist zur Ausschlagung beginnt in diesen Fällen erst mit Eintritt des Nacherbfalls.[94] Allerdings läuft die Verjährung des Pflichtteils nach dem Erstversterbenden ab Kenntnis von dessen Tod und der beeinträchtigenden Verfügung. Unproblematisch können die Erblasser hier bestimmen, dass der den Pflichtteil verlangende Nacherbe aus dem Nachlass des Überlebenden (welcher aufgrund der Trennungslösung gerade kein Vermögen des Erstversterbenden enthält) ebenfalls nur den Pflichtteil erhalten soll.[95] Bei der Trennungslösung ist somit hinsichtlich der Pflichtteilsansprüche in beide Richtungen eine angemessene Berücksichtigung der beteiligten Interessen möglich. Der Pflichtteilsberechtigte erhält aus jedem der beiden Nachlässe seinen Pflichtteil, der ihm auch sonst nur unter äußerst erschwerten Umständen entzogen oder beschränkt werden kann. Zugleich wird aufgrund der strikten Trennung der beiden Nachlassmassen verhindert, dass ein sich gegen das Regelungsprogramm des gemeinschaftlichen Testaments verhaltender Pflichtteilsberechtigter auf Kosten der anderen Pflichtteilsberechtigten einen Vorteil erlangt.

[93] Staudinger/Kanzleiter, § 2269 Rn 53.
[94] Mayer, in: Reimann/Bengel/Mayer, § 2269 Rn 80; Palandt/Weidlich, § 2142 Rn 2.
[95] Staudinger/Kanzleiter, § 2269 Rn 53.

2. Einheitslösung

 

Rz. 34

Bei der sog. Einheitslösung kann das Pflichtteilsrecht zum Störfaktor werden. Sind pflichtteilsberechtigte Personen zu Schlusserben eingesetzt, so können sie beim ersten Erbfall ihren Pflichtteil nach dem erstversterbenden Ehegatten verlangen, ohne dazu einen Erbteil ausschlagen zu müssen. Ein Erbrecht an dem Nachlass des Erstversterbenden steht ihnen nämlich nicht zu.[96] Setzt dann der zweite Erbfall ein, so kann der Schlusserbe, der beim ersten Erbfall den Pflichtteil nach dem erst Versterbenden gefordert hat, dennoch seinen Erbteil nach dem zuletzt Versterbenden geltend machen. In dessen Nachlass werden aber oft Vermögenswerte des Erstverstorbenen enthalten sein, so dass derjenige, der den Pflichtteil nach dem Erstversterbenden verlangt hat, u.U. wirtschaftlich betrachtet zweimal am Nachlass des Erstversterbenden partizipiert. Hingegen erhalten die anderen Schlusserben, die ihr Pflichtteilsrecht beim ersten Erbfall nicht geltend gemacht hatten, nur einen um den Pflichtteil geschmälerten Erbteil. Da diese Rechtsfolge allg. als unbillig empfunden wird, versucht man, dem Verlangen des Pflichtteils beim ersten Erbfall mit sog. Pflichtteilsstrafklauseln zu begegnen.

[96] BGHZ 22, 364; Staudinger/Kanzleiter, § 2269 Rn 54.

a) Einfache Ausschlussklausel

 

Rz. 35

So bestimmen die Erblasser in gemeinsamen Testamenten oftmals, dass derjenige Schlusserbe, der beim ersten Erbfall seinen Pflichtteil fordert, auch beim zweiten Erbfall nur den Pflichtteil erhalten soll. Mit einer solchen Regelung wird zwar verhindert, dass der den Pflichtteil Verlangende seine Schlusserbenstellung nach dem Letztversterbenden behält. Auch bei dieser Klausel partizipiert der Pflichtteilsberechtigte wirtschaftlich gesehen möglicherweise zweimal am Nachlass des Erstversterbenden, soweit Vermögensgegenstände aus dessen Nachlass im Nachlass des Letztversterbenden noch vorhanden sind. Eine Anrechnung findet insoweit nicht statt, auch nicht, wenn eine solche angeordnet wäre, da das Pflichtteilsrecht eine solche Beschränkung nicht zulässt.[97] Immerhin verhindert diese Klausel aber, dass der den Pflichtteil Verlangende auch in den Genuss der Schlusserbenstellung gelangt.

 

Rz. 36

Solchen Klauseln soll eine Abschreckungswirkung zukommen. Mehr ist aufgrund des zwingenden Charakters des Pflichtteilsrechts auch gar nicht möglich. Für diese Abkömmlinge soll es wirtschaftlich so unattraktiv wie möglich gemacht werden, den Pflichtteil nach dem Erstversterbenden zu verlangen. Gelingt dies, ist der Überlebende von den mit dem Pflichtteilsverlangen möglicherweise einhergehenden enormen Auszahlungs- und Liquiditätsschwierigkeiten befreit. Immerhin beträgt die Summe aller Pflichtteilsansprüche (der sog. Gesamtpflichtteilswert) auch bei der Zugewinngemeinschaft noch ¼ des gesamten Nachlasswertes. Inwieweit aber die Androhung, nach dem zweiten Erbfall dann ebenfalls nur den Pflichtteil zu erhalten, eine Abschreckungswirkung entfalten kann, wird vom Einzelfall abhängen. So wird ein Abkömmling aufgrund seiner persönlichen finanziellen Lage möglicherweise gezwungen sein, bereits beim ersten Erbfall seinen Pflichtteil zu verlangen. Möglicherweise wird er – berechtigterweise – befürchten, beim zweiten Erbfall werde nichts mehr vom Nachlass des Erstversterbe...

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