1. Alleinerbe

 

Rz. 5

Der Erblasser kann jeden Erben mit einem Vorausvermächtnis bedenken. Es ist dabei unerheblich, ob der mit einem Vermächtnis begünstigte Erbe Allein-, Mit-, Vor- oder Nacherbe ist.

 

Rz. 6

Es kann so auch dem Alleinerben ein Vorausvermächtnis zugewiesen werden.[9] Das Vorausvermächtnis ist für den Erben grundsätzlich vorteilhaft. Dies wird bei verschiedenen gesetzlichen Bestimmungen deutlich: So bestimmt bspw. § 2373 BGB, dass beim Erbschaftskauf ein dem Verkäufer zugewendetes Vorausvermächtnis im Zweifel nicht als mitverkauft anzusehen ist. Der Erbe hat darüber hinaus die Freiheit, die Erbschaft auszuschlagen, das Vermächtnis jedoch anzunehmen. Dies gilt jedoch nicht, wenn die Zuwendung an die Erbenstellung anknüpft.[10] Entsprechendes gilt, wenn die Erbschaft angenommen und auf das Vermächtnis verzichtet wird.

 

Rz. 7

Liegt eine unwirksame oder bedingte Erbeinsetzung vor, hat dies grundsätzlich keine Auswirkungen auf das Vorausvermächtnis (§ 2085 BGB).[11]

 

Rz. 8

Besonders vorteilhaft kann das Vorausvermächtnis für den Alleinerben im Falle angeordneter Testamentsvollstreckung (§§ 2203, 2213 BGB) oder Nachlassverwaltung (§§ 1975 ff. BGB) sein.[12] Im Falle angeordneter Testamentsvollstreckung über die Verwaltung des Nachlasses (§ 2209 BGB) kann der Erbe als Vorausvermächtnisnehmer die Überlassung des Vermächtnisgegenstandes zu seiner freien Verfügung auch außerhalb der Voraussetzungen des § 2217 Abs. 1 S. 1 BGB verlangen. Der Anspruch ergibt sich aus der Verpflichtung des Testamentsvollstreckers, seine Befugnisse zu beachten (§§ 2203, 2208 Abs. 1 S. 1 BGB), und beruht nicht auf § 2174 BGB.[13] Kommt es nicht zum Erlöschen eines Rechtsverhältnisses infolge der durch den Erbfall eingetretenen Konfusion, steht dem Alleinerben als Vorausvermächtnisnehmer auch der Anspruch aus § 2174 BGB in den Fällen der Nachlassverwaltung und der Nachlassinsolvenz (§ 1976 BGB) zu. Entsprechendes gilt in den Fällen der Dürftigkeitseinrede (§ 1991 Abs. 2 BGB) und des Erbschaftskaufs (§ 2377 BGB).[14]

[9] Staudinger/Otte, § 2150 Rn 2.
[10] Vgl. dazu MüKo/Leipold, § 1953 Rn 6; MüKo/Wegerhoff, § 2352 Rn 4.
[11] Staudinger/Otte, § 2150 Rn 2.
[12] Palandt/Weidlich, § 2150 Rn 2.
[13] Staudinger/Otte, § 2150 Rn 2.
[14] Staudinger/Otte, § 2150 Rn 2.

2. Miterbe

a) Abgrenzung zwischen Vorausvermächtnis und Teilungsanordnung

 

Rz. 9

Oft ergeben sich Abgrenzungsprobleme zwischen einem Vorausvermächtnis oder einer Teilungsanordnung (§ 2048 BGB).[15] Liegt keine eindeutige Erklärung des Erblassers vor, ist hier der Wille des Erblassers durch Auslegung zu ermitteln. Bei der Teilungsanordnung nimmt der Erblasser Einfluss auf die Verteilung seines Vermögens unter den Erben. Er konkretisiert letztlich den Erbteil. Soll dem Erben dagegen über einen Erbteil hinaus etwas zugewendet werden, ist von einem Vorausvermächtnis auszugehen.[16] Ein höherer Wert des vom Erblasser zugeteilten Vermögens, der ein Auseinandersetzungsguthaben übersteigt, soll dann unter den Erben nicht ausgeglichen werden.[17] Ist allerdings der Erklärung eine entsprechende zusätzliche Zuwendung nicht zu entnehmen, kann es sich nur um eine Teilungsanordnung handeln.[18] Die Teilungsanordnung hat dann zur Folge, dass der "überquotal" ausgestattete Miterbe den ihm nicht gebührenden Mehrwert im Rahmen der Erbauseinandersetzung auszugleichen hat.[19]

 

Rz. 10

Liegt ein Vorausvermächtnis vor, ist der Miterbe grundsätzlich mitbeschwert (§ 2147 S. 2 BGB), sofern der Erblasser nichts anderes bestimmt hat. Der Miterbe erhält somit den vollen Wert des Vermächtnisses; er ist im Übrigen an dem entsprechend verringerten Nachlass beteiligt.[20]

Ordnet der Erblasser ein Vorausvermächtnis an, kann darin eine konkludente Erbeinsetzung liegen.[21]

 

Rz. 11

Die Rspr. stellt in diesem Zusammenhang darauf ab, ob der Erblasser den Zuwendungsempfänger begünstigen wollte (Begünstigungswille).[22]

 

Rz. 12

Ein weiteres Kriterium zur Abgrenzung des Vorausvermächtnisses von der Teilungsanordnung sieht der BGH darin, dass der Erblasser auch einen von der Erbeinsetzung unabhängigen Grund haben kann, einem Miterben einen bestimmten Gegenstand zuzuwenden.[23] Ein solcher Grund kann darin liegen, dass für den Fall, dass der Erbe zwar sein Erbteil ausschlägt, er nach dem Willen des Erblassers dennoch zumindest den Gegenstand erhalten soll. Aus der Verknüpfung der Zuwendung (Vermächtnis) an die Erbenstellung kann nicht zwingend auf eine Teilungsanordnung geschlossen werden, da auch ein Vermächtnis an die Bedingung geknüpft sein kann, dass der Bedachte Erbe wird.[24] Die wertmäßige Begünstigung[25] stellt somit nur ein wichtiges Indiz, nicht aber eine zwingende Voraussetzung für die Auslegung einer Zuwendung als Vorausvermächtnis dar.[26]

 

Rz. 13

Für ein Vermächtnis spricht, dass der Erblasser angeordnet hat, dass der Bedachte den Gegenstand bereits vor der Erbauseinandersetzung erhalten soll.[27]

 

Rz. 14

Räumt der Erblasser dem Bedachten ein Übernahmerecht ein, somit die Möglichkeit der Entscheidung, ob er den Übernahmegegenstand erwerben will oder nicht, handelt es sich um ein Vorausvermächtnis.[28]

Ebenfalls ...

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